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Wahlperiode 13, Band III/1, Seiten 374 und 375
374
Protokoll der 29. Sitzung

Ich fasse zusammen: In der Folge des Wandels von Arbeitsmarkt und Sozial-
ordnung empfinden sich vor allen Dingen die gefährdeten Jugendlichen als ei-
ne ausgesperrte Generation. Sie fühlen sich als eine Jugend im Wartestand, die
sich nicht mehr gebraucht fühlt und die auf später vertröstet wird. Manche Ju-
gendliche machen deswegen mit aller Gewalt auf sich aufmerksam. Andere
empfinden sich als leergebrannt, erschöpft, ausgehöhlt und nur noch funktio-
nierend. Es gibt andererseits eine Reihe von Jugendlichen, die ganz neu nach
dem Sinn für sich selber suchen, für den es sich zu leben lohnt. Sie suchen
nach echten Menschen, deren Reden durch das Leben gedeckt ist. Sie erwarten
Politiker, bei denen sie spüren, daß sie die Jugend für die Zukunft brauchen
und nicht nur für die Rente. Sie fragen Repräsentanten der Wirtschaft, warum
wirtschaftliche Erträge nicht viel stärker zur Förderung des Arbeitsmarktes in
Deutschland eingesetzt werden. Insgesamt fragen sie nach Gott und der Welt.
Sie fragen nach einem Halt außerhalb von sich selbst, und sie sehnen sich nach
einer Barmherzigkeit, die auch ihre Fehler verzeiht und verkehrte Wege korri-
giert. Sie suchen nach Ehrfurcht vor dem Leben, Respekt voreinander und
Verständnis im Konflikt. Vielleicht mischen sich auf diese Weise ganz neue
Fragen unter uns ein.

Es ist Fastenzeit. Jesus sagte einmal: „Manche Probleme sind nur zu bewälti-
gen durch Beten und Fasten. Fasten beeinflußt unseren Lebensstil.“ Ich könnte
mir vorstellen, daß Fasten bei der Bewältigung des Wandels der Arbeitsmarkt-
und Sozialordnung für Jugendliche hilfreich sein kann. Ich möchte Sie als
Bundestagsabgeordnete und als Gäste zumindestens zu einer Fastenaktion
einladen. Ich möchte jeden Interessierten dazu auffordern, das vorn ausgelegte
Material anzuschauen.

Ich denke, daß dieses Fasten dazu beitragen kann, wahrzunehmen, wo Jugend-
liche heute Seismographen für die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung
sind. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Gesprächsleiterin Abg. Christine Kurzhals (SPD): Vielen Dank, Herr Bret-
schneider. Wir nehmen natürlich Ihr Angebot an und schauen uns das Material
an. Ob wir nun unbedingt fasten, weiß ich nicht. Herr Dr. Schnabel, ich erteile
Ihnen jetzt das Wort.

Dr. Kai Schnabel: Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren, ich
mache es angesichts der Zeit hoffentlich kürzer als geplant. Da Sie ein Manu-
skript meines Vortragstextes haben, können Sie die eine oder andere Passage,
die ich jetzt galant überspringen werde, in Ruhe nachlesen (Hinweis: Manu-
skript, Tabellen und Abbildungen in Anlage 3).

Kurz zu meiner Person. Ich bin wissenschaftlicher Mitarbeiter im Max-Planck-
Institut für Bildungsforschung in Berlin. Ich bin dort Forschungskoordinator in
einem Schulleistungsforschungsprojekt mit dem Titel „Bildungsverläufe und
psychosoziale Entwicklung im Jugendalter“, das in den alten und den neuen
Bundesländern stattfindet. Aus dieser Studie werde ich Ergebnisse referieren.

375
Wirtschaft – Sozialpolitik – Gesellschaft

Das Thema meines Vortrages lautet: „Folgen des Wandels von Arbeitsmarkt
und Sozialordnung – insbesondere für Jugendliche“. Man kann sich der ton-
nenschweren Last dieses Themas nur dadurch einigermaßen galant entledigen,
indem man sich auf einen Teilaspekt beschränkt. Gegenstand meiner Ausfüh-
rungen soll das Gesellschaftsbild von Jugendlichen und die Auswirkungen von
Einmündungsschwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt in Ost und West sein. Das
ist eine entscheidende Einschränkung, die die ganze Dramaturgie meines Vor-
trages bestimmen wird. Mir geht es zudem darum, daß wir einen Blick auch
dafür haben, wie es in den alten Bundesländern aussieht. Ich möchte vermei-
den, daß man Veränderungen zu stark auf die spezifische Situation in den neu-
en Bundesländern bezieht, die in Wirklichkeit gesamtdeutsche Effekte sind.
Sie werden das in den Ausführungen an der einen oder anderen Stelle merken.

Die von mir eingegangene Begrenzung auf das Gesellschaftsbild bei Jugendli-
chen und die Veränderung im Gesellschaftsbild bei Jugendlichen hat drei
Gründe:

  1. Eine gewisse Vorsicht meinerseits, als Psychologe nicht der Versuchung zu
    erliegen, über gesetzliche Rahmenbedingungen, ökonomische Entwicklun-
    gen und Krisen oder über ordnungspolitische Notwendigkeiten wertenden
    Stellungnahmen abzugeben, ohne die hierfür notwendige Fachkompetenz
    zu besitzen.
  2. Der zweite Grund bezieht sich auf den Begriff „Folgen“, der im Titel an-
    klingt. Der Begriff Folgen wird in der politischen Debatte und natürlich
    auch in der Medienöffentlichkeit sehr oft im Sinne unmittelbarer Konse-
    quenzen politischen Handels verstanden. Längerfristige, schleichend sich
    vollziehende Veränderungen geraten dabei schnell aus dem öffentlichen
    Blick.
  3. Der dritte Grund meiner Zurückhaltung hängt mit der Studie zusammen,
    aus der ich hier referieren möchte.
    Wenn man sich die Überschrift für den heutigen Nachmittag vergegenwär-
    tigt, „Die Auswirkungen des Transformationsprozesses auf die Lebens-
    wirklichkeit in den neuen Bundesländern“, so schwingt für mich ein „im
    Vergleich zu früher“ mit. Doch auf welches „früher“ soll man die Lebens-
    lage heutiger Jugendlicher in den neuen Bundesländern eigentlich bezie-
    hen? Ich verstehe die Gesamtdramaturgie dieser Anhörung so, daß es um
    die spezifische Situation in den neuen Bundesländern geht, und da liegt für
    die Jugendforschung der Vergleich zu den alten Bundesländern näher als
    der vergleichende Rückblick. Genau diese Perspektive eröffnet unser For-
    schungsprojekt. Die Jugendlichen, die wir untersuchen, waren zu Zeiten der
    Wende gerade einmal 12 Jahre alt, so daß also der Blick zurück durch die
    Jugendlichen wissenschaftlich nicht so bedeutsam sein kann.

Im Laufe meines Vortrages werde ich mich auf die Abbildungen beziehen, die
Sie am Ende des Ihnen ausgehändigten Manuskriptes vorfinden. Ich kann es
Ihnen nicht ersparen, die eine oder andere Abbildung meines Manuskriptes an-