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Wahlperiode 13, Band III/1, Seiten 444 und 445
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Protokoll der 29. Sitzung

sind dafür, die gemeinsamen Probleme aufzugreifen und an deren Lösung ge-
meinschaftlich zu arbeiten, wie z. B. beim Kampf um faire Wettbewerbsbedin-
gungen mit der Verankerung von Sozialklauseln im internationalen Handel ge-
gen Sozial- und Ökodumping einschl. Kinderarbeit und Verletzung von Men-
schen- und Arbeitnehmerrechten. Dabei geht es uns aber nicht, wie uns oft
unterstellt wird, darum, den Globalisierungsprozeß im Welthandel aufhalten zu
wollen, wir wissen sehr wohl, daß wir gegen den Weltmarkt keine Mauer er-
richten können, aber richtig kann doch eigentlich nur sein, durch gemeinsame
Projekte eine gemeinsame, beiden Seiten nutzbringende Wirtschaftsbeziehung
aufzubauen.

Heute leben in Deutschland viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ei-
nem Wohlstand, der für frühere Generationen unvorstellbar war, aber zugleich
erfahren immer mehr Menschen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert Massen-
arbeitslosigkeit, neue Armut und Demontage von sozialen Leistungen, die als
gesichert galten.

Auf einem Beschäftigungsgipfel im April 1997 in Berlin wollen wir als Ge-
werkschaften gemeinsam mit Vertretern aus Politik, Arbeitgeberverbänden,
aus Kirchen, den Frauen-, Jugend-, Umwelt-, Sozial- und Wohlfahrtsverbän-
den aus den Kommunen sowie aus der Wissenschaft und den Medien wirksa-
me Ansatzpunkte für eine Beschäftigungspolitik, die den Anspruch auf soziale
Gerechtigkeit Rechnung trägt, zusammentragen und sie hinsichtlich der mögli-
chen Umsetzbarkeit diskutieren und dann natürlich nach Möglichkeit auch um-
setzen.

Ich erlaube mir, abschließend den Wunsch zu äußern, daß die Erkenntnisse der
vergangenen zweieinhalb Tage nicht nur theoretische Aufarbeitung einer ver-
gangenen Epoche und der Zwischenbilanz Aufbau Ost bleiben, sondern zu ei-
nem zukunftsfähigen Konzept zur Lösung der dringendsten Probleme in unse-
rem Lande beitragen mögen. Schönen Dank.

Gesprächsleiter Abg. Jörg-Otto Spiller (SPD): Vielen Dank Frau Keller, wir
möchten die Diskussion im Anschluß an die Podiumsrunde führen, und ich
darf deswegen jetzt Herrn Professor Maier bitten, seinen Beitrag zu liefern.

Prof. Dr. Jörg Maier: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine sehr geehrten
Damen und Herren Abgeordneten, meine Damen und Herren, zunächst einmal
meinen herzlichen Dank, daß Sie mich zu dieser Veranstaltung eingeladen ha-
ben. Ich denke, wenn ich das Programm richtig gelesen habe, ist mein Part
darin bestehend, auf die regionalwirtschaftliche Seite Bezug zu nehmen und
vielleicht eine Antwort auf die Frage zu geben, wo gibt es besonders dynami-
sche Bereiche, wo gibt es besondere Problemräume innerhalb der neuen Bun-
desländer? Das ist ja ein Thema, das Sie immer wieder angesprochen haben.

Was ist der Anlaß, daß jemand aus einer süddeutschen Universität zu dem
norddeutschen bzw. mitteldeutschen Raum referiert? Die Antwort ist ganz ein-
fach. Wir haben eine Vielzahl von kommunalen und regionalen Entwicklungs-
konzepten in Thüringen, in Sachsen und in Mecklenburg durchgeführt. Von

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Wirtschaft – Sozialpolitik – Gesellschaft

der unteren Ebene, also von den Kommunen her, versuche ich, Ihnen aus die-
ser Sicht eine gewisse Aussage in Verbindung mit gesamtwirtschaftlichen Da-
ten auf der Ebene von Kreisen zu präsentieren.

Zweite Vorbemerkung: Ich halte bei der Betrachtung für ganz wichtig, wenn
man an die Kommunen und die Bemühungen vor Ort in den Gemeinden und
bei den Betrieben denkt, daß wir uns vor Augen halten, daß regionalwirt-
schaftliche Entwicklungen zu einem sehr hohen Anteil, d. h. mindestens zu
50 % von Psychologie, durch Erwartungshaltungen, durch Hoffnungen, durch
Einstellungen, durch Vorurteile geprägt werden. Ich denke, daß diese Tatsache
für uns alle wesentlich ist. Ich komme ebenfalls aus einem Grenzraum. Es ist
wichtig, daß wir uns darüber im Klaren werden, daß, wenn ein Mensch sich
Krankheiten einredet, sich jeden Tag Negatives einredet, er dann krank wird.
Das gleiche gilt für Regionen. Wir plädieren daraufhin zu sagen, daß wir das,
was wir an Erfolgen vorzuweisen haben, auch entsprechend darstellen und
vermarkten müssen. Damit müssen wir der Bevölkerung vor Ort über die Er-
folge, trotz aller Kritik und kritischen Auseinandersetzungen mit den Proble-
men, Mut machen.

Dritte Vorbemerkung: Es gibt regional gesehen ohne Zweifel Bereiche, die
relativ gesehen eine schon sehr günstige Entwicklung mitmachen, wo es neuen
Aufschwung gibt, wo es neuen Mut gibt, wo auch Bereitschaft vorhanden ist,
etwas umzusetzen und die auch günstige Voraussetzungen dafür haben. Ich
werde Ihnen das nachher auch gleich zeigen. Andererseits gibt es Räume, in
denen eben sehr hohe Probleme vorherrschen, die auch mittelfristig kaum zu
bewältigen sind. Diese Situation deutet darauf hin, daß wir aus der Sicht der
Regionalpolitik dafür plädieren, regional differenzierte Programme durchzu-
führen. Wo immer eine solche Möglichkeit besteht – die Länder wie Sachsen
und Thüringen betreiben das ja schon sehr intensiv – sollte eine regional diffe-
renzierte Regionalpolitik betrieben werden, um sich nicht von Generalkon-
zepten verwirren zu lassen. Die Antwort dazu heißt regionales Marketing. Die
Regionen, die wir betreuen, sollen sich so darstellen, daß sie ihre Vorteilswerte
und Stärken präsentieren und damit den Hinweis geben, daß es hier Chancen
für neue Ansatzpunkte gibt. Nun mag man dies insoweit abtun, weil unsere
Schwerpunkte in Thüringen und Sachsen liegen und die Bedingungen dort oh-
ne Zweifel günstiger sind, wie in manch anderen der neuen Länder, wo der
Strukturbruch einfach gravierend ist, sei es im Bereich der Landwirtschaft oder
auch und insbesondere im Bereich der Industrie.

Diese regionale Differenzierung kommt in der Abbildung (Hinweis: Tabellen
und Abbildungen in Anlage 7) zum Ausdruck. Sie finden hier Angaben zum
Stand März 1996. Die Situation der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe
läßt die klassischen Strukturen erkennen, die wir historisch schon immer hat-
ten: Ein sehr hoher Anteilswert in Thüringen und insbesondere in Sachsen,
ausstrahlend nach Sachsen-Anhalt und je weiter wir nach Norden gehen, um so
bescheidener ist der Anteilswert der Beschäftigten im produzierenden Gewer-
be. Das heißt, trotz der Deindustrialisierung, trotz erheblicher Rückgänge im