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Wahlperiode 13, Band III/1, Seiten 448 und 449
448
Protokoll der 29. Sitzung

dieser Mittelstadtebene gibt, die eigentlich tragfähig für die Zukunft sind. Ich
danke Ihnen.

Gesprächsleiter Abg. Jörg-Otto Spiller (SPD): Vielen Dank Herr Professor
Maier. Ich darf jetzt Herrn Dr. Schmachtenberg bitten, das Wort zu nehmen.

Dr. Rolf Schmachtenberg: Vielen Dank vor allem für die Einladung, hier
sprechen zu dürfen und einige Thesen, zu dem ja sehr breiten Thema „Erfolge
und Probleme im Transformationsprozeß in Wirtschafts- und Sozialpolitik ein-
schließlich eines Ausblicks“ vorzutragen. Dabei haben Sie einige Fragen mit
auf den Weg gegeben, die man bei der Ausarbeitung dieser Thesen berück-
sichtigen möge. Dabei fiel mir auf, daß ein großer Teil dieser Fragen sich noch
einmal mit den Ausgangsbedingungen befaßte.

Ich denke, es ist sicherlich klar, daß die Ausgangsbedingungen, wie sie die
Planwirtschaft gegeben hat, nicht die optimalen für den Aufbau der Wirtschaft
waren. Ich glaube aber auch, daß die Entwicklung sicherlich auch inzwischen
sehr stark durch Entscheidungen geprägt ist, die nach 1989 getroffen wurden.

Meines Erachtens sollte man in solch einer Bilanz auf alle Fälle einige Erfolge
hervorheben, bevor man sich dann den Problemen zuwendet.

Die Erfolge, die in der Einkommensituation erzielt wurden oder auch der Er-
folg, daß der Transformationsprozeß bislang im sozialen Frieden ablief, sind
meiner Meinung nach sehr wesentlich und stark herauszuheben. Wir sollten
auch nicht verschweigen, daß die Quote der Arbeitsplätze je Einwohner in den
neuen Bundesländern nicht geringer ist, als in den alten Bundesländern. Wir
sollten auch nicht verschweigen, daß Enormes beim Aufbau einer modernen
Infrastruktur (Telekommunikation, Fernstraßen, Schnellzugverbindungen,
Strom- und Erdgasversorgung) geleistet wurde und noch geleistet wird, und
wir sollten auch nicht verschweigen, daß der Übergang hier sehr viel geordne-
ter verlief als in den meisten G.U.S.-Ländern. Ich glaube, daß dafür auch sehr
viele Bürger dankbar sind.

Aber es gibt eben auch eine Reihe von Problemen und an erster Stelle steht
sicherlich die extrem hohe Arbeitslosenquote, die auch auf einem sehr hohen
Niveau in diesem Jahr bleiben wird, und die, wie jetzt gerade eben deutlich
wurde, regional differenziert zu sehen ist. Da gibt es Lichtpunkte wie Dresden
und Potsdam und daneben, oft schon ganz dicht dabei, große Schatten und we-
nig Bewegung. Zu beachten ist weiterhin die Ausgrenzung bestimmter Perso-
nengruppen wie z. B. Frauen ab 50 Jahren, die faktisch keine Chancen mehr
auf dem Arbeitsmarkt haben und möglicherweise, wenn sie alleinstehend sind,
eine relativ geringe Altersversorgung vor sich haben.

Ein weiterer Problembereich resultiert aus dem extremen Rückgang der Ge-
burtenquote. Sicherlich kann sich diese jetzt wieder an das westdeutsche Ni-
veau anpassen, aber das niedrige westdeutsche Niveau ist aus meiner Sicht
auch nicht gerade ein sehr positives Kennzeichen unserer Gesellschaft.

449
Wirtschaft – Sozialpolitik – Gesellschaft

Ein weiteres Problem, was aus meiner Sicht auch ein großes Problem darstellt,
ist die geringe Vermögensbildung in Ostdeutschland (die Geldvermögen je
Einwohner liegen bei 20 % des Westniveaus). Denn, wer nur über geringe
Vermögen verfügt, hat von daher auch schlechtere Startchancen, um Kredite
aufzunehmen und um Unternehmen zu gründen. Wir vergleichen immer die
Lohnniveaus, die liegen mit 70-90 % schon relativ hoch. Diese führen sogar
dazu, daß die Lohnstückkosten hier im Durchschnitt höher sind, als in West-
deutschland. Die Vermögenssituation, die ja auch wichtig ist als Ausgangs-
punkt für eigenes wirtschaftliches Handeln, ist jedoch deutlich schlechter.

Wir haben deswegen insgesamt in der jetzigen Situation nach wie vor eine un-
geheuer hohe Transferabhängigkeit der ostdeutschen Länder. Die Grundlagen
für einen eigenen, sich selbsttragenden wirtschaftlichen Aufschwung sind si-
cherlich noch nicht gelegt, das wird ja auch daran deutlich, wie stark hier das
Wirtschaftswachstum bisher von der Bautätigkeit geprägt wurde. Wenn im
Bau, sei es auch nur durch einen kalten Winter, Schwierigkeiten auftreten,
dann schlagen sie sich sofort in der gesamten Wirtschaft nieder. Mit dem
Auslaufen der Förderbedingungen wird das sich auch bestätigen.

Der Anteil der neuen Bundesländer am Export ist extrem gering. Dies ist auch
insofern ein großes Problem, weil die Integration der neuen Bundesländer in
Europa noch lange nicht vollzogen ist. Gerade das große Problem des Um-
gangs mit ausländischen Arbeitnehmern, mit ausländischen Kollegen z. B. auf
den Baustellen rund um Berlin, ist auch davon geprägt, daß Ostdeutsche keine
positiven Auslandserfahrungen haben. Während es für Westdeutsche klar ist,
daß die westdeutsche Wirtschaft als exportorientierte Wirtschaft davon ab-
hängt, viele Waren ins Ausland verkaufen zu können, gilt das eben für die ost-
deutsche Wirtschaft nicht.

Sehr schwerwiegend – auch als Ausgangsbedingungen für den weiteren Aus-
blick – ist der fast vollständige Verlust wirtschaftlicher Kompetenz in dem
Sinne, daß es so gut wie keine bedeutenden Zentralen von Wirtschaftsunter-
nehmen in Ostdeutschland gibt, so daß also alle wesentlichen wirtschaftlichen
Entscheidungen nicht in Ostdeutschland getroffen werden.

Ebenso haben wir einen extremen Abbau der technologischen Kompetenz zu
verzeichnen. Die meisten Betriebe sind sehr kleine Betriebe. In Brandenburg
z. B. sind 88 % aller Unternehmen Unternehmen mit weniger als 20 Beschäf-
tigten. In ihnen spielt faktisch Forschung und Entwicklung keine Rolle. Nach
eigenen Angaben sagen 88 % unserer Unternehmen bei Forschung und Ent-
wicklung – Fehlanzeige. Sie sind unter der kritischen Größe, wo das überhaupt
ein Thema ist. Aber auch die großen Betriebe, die wir noch haben, sind oft
Zweigbetriebe viel größerer Unternehmenszusammenhänge und verfügen da-
her auch über keine eigene Kompetenz im Forschungs- und Entwicklungsbe-
reich. Dies erschwert den Forschungstransfer. Auch wenn wir z. B. in Berlin
und in Brandenburg einiges im Aufbau der Universitäten versuchen, der Tech-
nologietransfer scheitert dann oft daran, daß es gar nicht die Unternehmen gibt,
die in der Lage wären, dies umzusetzen. Die Brandenburgische Technische