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Wahlperiode 13, Band III/1, Seiten 456 und 457
456
Protokoll der 29. Sitzung
  • dürften es mindestens 850.000 Arbeitsplätze sein, die durch die Wiederver-
    einigung und Beendigung des kalten Krieges entfallen sind und
  • einem in Ost und West zu beobachtenden Mangel wirtschaftlichem Sach-
    verstand.

Lösungswege: Es gibt keinen Königsweg, insofern werden die von Herrn Dr.
Schmachtenberg hervorgehobenen Vorschläge des IAB zur Halbierung der
Arbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 skeptisch betrachtet.

Allein die Forderung, Überstundenarbeit um über 50 % zu reduzieren, scheint
unrealistisch. Mehr als 2/3 aller Überstunden werden in kleineren Unterneh-
men erbracht. Gerade in diesen Unternehmen gibt es hinsichtlich der weiteren
Aufträge viele Unsicherheiten.

Es gibt von Seiten der Kunden einen enormen Anpassungsdruck an die Unter-
nehmen, d. h. sie müssen sehr schnell und flexibel reagieren können. Auch an-
dere Vorschläge des IAB scheinen in Zukunft nicht umsetzbar, weil man sich
in der Gesellschaft noch nicht bewußt ist, daß diese Dinge umgesetzt werden
müssen.

Alle, d. h. Politik und Bevölkerung müssen die veränderte Wirklichkeit zur
Kenntnis nehmen. Überkommene Sicht und Verhaltensweisen müssen geän-
dert werden, z. B.:

  • Vorbehalte gegen einfache Dienste existieren weiter (es sind ja andere da
    z. B. die Ausländer).
  • Die geringe Bereitschaft zur Selbständigkeit und Eigenverantwortung muß
    überwunden werden.
  • Die bisherige Fixierung auf Erwerbsarbeit als wichtigste sinnstiftende Tä-
    tigkeit, die zugleich mit höchsten Ansprüchen an die Erwerbsarbeit verbun-
    den ist, muß angesichts des grundsätzlichen Trends zur Verringerung des
    Arbeitsvolumens aufgelöst werden.
  • Wir müssen lernen, mit Unterschieden umzugehen.

Anders formuliert: Subjektive Sicht- und Verhaltensweisen müssen wieder mit
dem objektiv vorhandenen Handlungsrahmen (Demokratie, technischer Wan-
del, Globalisierung) in Übereinstimmung gebracht werden.

Schlußfolgerungen für die Politik, insbesondere für die Arbeitsmarktpolitik,
sind:

  1. Die Anstrengungen zur Ankurbelung der Wirtschaft (Arbeitskostensen-
    kung, Steuersenkung, Qualifizierung, Flexibilisierung usw.) müssen fortge-
    führt werden, wobei aber klar sein sollte, daß dies nicht zur Beseitigung der
    Arbeitslosigkeit führen wird.
457
Wirtschaft – Sozialpolitik – Gesellschaft
  1. Es wird ein neues Verständnis von Unternehmer und Unternehmertum be-
    nötigt (mit einer entsprechenden Wissensvermittlung muß bereits in der
    Schule begonnen werden).
  2. Die Umverteilung von Arbeitszeit kann partiell richtig sein und sollte ge-
    fördert werden, sie ist aber in ihrer Wirkung begrenzt. Umverteilung von
    Arbeitszeit könnte nur im Sinne von Lebensarbeitszeit erfolgen.
    Es muß zu einer „Auflockerung“ des klassischen Berufslebens kommen
    z. B. durch Ansätze der gesellschaftlichen Aufwertung und materiellen Ab-
    sicherung von Alternativen wie freiwilliges ökologisches oder soziales Jahr,
    Aktion 55 in Sachsen.
  3. Die vorhandenen Ansätze zur Regionalisierung der Arbeitsmarktpolitik
    müssen ausgebaut werden.
  4. Es ist dringend erforderlich, Familien und kleine Lebenskreise zu fördern.
    Die Gesellschaft wird niemals das leisten können, was Familien und kleine
    Lebenskreise leisten können.
  5. Das Problem der Zuwanderung darf nicht weiter tabuisiert werden. Man
    sollte die strukturellen Veränderungen in der Zuwanderung, wie sie sich seit
    einigen Jahren zeigen, zur Kenntnis nehmen.
  6. Die Wirksamkeit sozialer Sicherungssysteme und ihre Finanzierbarkeit
    müssen vorurteilslos geprüft werden.
  7. Der Dialog mit Gewerkschaften und Arbeitgebern sollte unbedingt fortge-
    setzt werden. Wesentlich ist dabei auch, daß von einheitlichen Befunden
    aus diskutiert wird.

Ich bedanke mich.

Gesprächsleiter Abg. Jörg-Otto Spiller (SPD): Vielen Dank. Als letzter in
dieser Runde, Herr Professor Schmidt bitte.

Professor Dr. Reinhard Schmidt: Sehr geehrte Damen und Herren, ich
möchte mich von ganzem Herzen bedanken für die Ernsthaftigkeit, mit wel-
cher die Enquetekommission hier drei Tage lang zu Werk gegangen ist. 23
Stunden Sitzungsdauer sind keine Kleinigkeit. Als Außenstehender und Gast
konnte ich das Ringen dieser Kommission um Problemlösungen ganz nah er-
leben. Doch alle Bemühungen in Ehren, diese Enquetekommission kann die
Probleme nicht allein lösen. Hier hat der Montag Nachmittag einen bitteren
Beigeschmack hinterlassen. Ich finde, daß die mit gesellschaftlichen Entwick-
lungen befaßten Wissenschaften für den Bundestag und die Bundesregierung
zu wenig Vorarbeit leisten. Es zeigt sich, daß gegenwärtig die Universitäten
mit Recht in die Kritik geraten sind. Ich will hier gern als Nestbeschmutzer
fungieren. Was meine ich mit dieser Behauptung? Ein Beispiel soll das bele-
gen.