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Wahlperiode 13, Band VI, Seiten 34 und 35
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Protokoll der 22. Sitzung

che, ruhige Aussprache bedanken und darf jetzt das Wort zurückgeben an den
Herrn Vorsitzenden.

Vorsitzender Siegfried Vergin: Meine Damen und Herren, zunächst muß ich
die ganz freundliche Einladung an die bisherigen Gesprächsteilnehmer richten,
daß sie sich jetzt auf eine Pause einrichten, Sie dürfen jetzt ausruhen. Den
Herrn Minister Schuchardt verabschieden wir mit herzlichem Dank. Daß er
hierher gekommen ist, zeigt die Bedeutung dieser Sitzung natürlich besonders,
aber das Geschäft ruft ihn zurück auf einen anderen Stuhl. Herzlichen Dank,
daß Sie da waren. Dann bitte ich Frau Dr. Brzosko-Medryk, Herrn Bubis,
Herrn Dr. Durand und Herrn Dr. Simon zu mir auf das Podium zu kommen,
denn wir werden ohne Pause weiterarbeiten.

Wir möchten in der ersten Runde die Opfer der NS-Diktatur anhören. Wir tun
dies, weil zu einer umfassenden Gedenkstättenkonzeption die Erinnerung an
die Opfer des NS-Terrors gehört. Ich hätte mir gewünscht, meine Damen und
Herren, der Deutsche Bundestag hätte sich schon viel früher in seiner Arbeit
mit den Gedenkstätten für die NS-Opfer beschäftigt – das ist heute schon
mehrfach zum Ausdruck gekommen – und nicht erst im Rahmen der Aufar-
beitung der SED-Diktatur. Die Erinnerung an die NS-Opfer ist nämlich keine
Folge der SED-Diktatur, sondern eine gesamtdeutsche Verpflichtung seit
1945. Seit 1990 – wie ich es eingangs gesagt habe – besteht aber nun die
Chance, daß man sich in ganz Deutschland ehrlich und offen dieser Erinnerung
stellt. Ich möchte hier im Saal alle diejenigen ganz besonders begrüßen, die als
ehemals Verfolgte und Überlebende der NS-Diktatur bei uns sind, aus
Deutschland und aus Ländern Europas. Nicht alle können auf dem Podium sit-
zen, deshalb möchte ich stellvertretend für die Anwesenden im Publikum
Monsieur Ducoloné nennen, ehemaliger Buchenwaldhäftling und nach der Be-
freiung Mitglied der französischen Nationalversammlung. Hier auf dem Podi-
um begrüße ich als eine Stimme aus Osteuropa Frau Dr. Danuta Brzosko-Me-
dryk aus Warschau. Frau Brzosko war seit 1944 im Außenkommando Hasag-
Leipzig des KZ Buchenwald gefangen. Sie spricht heute im Internationalen
Buchenwaldkomitee für die Häftlingsfrauen. Aus Frankreich begrüße ich
Herrn Dr. Pierre Durand. Herr Dr. Durand wurde 1944 in Buchenwald als An-
gehöriger der Résistance inhaftiert. Er sprach am 19. April 1945 den Schwur
der befreiten Häftlinge von Buchenwald in französischer Sprache. Er ist seit
1982 Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora. Aus Frank-
furt/Main begrüße ich Herrn Ignatz Bubis, den Vorsitzenden des Zentralrates
der Juden in Deutschland, Überlebender des Holocaust, uns allen hier in der
Bundesrepublik gut bekannt. Aus Berlin schließlich begrüße ich Herrn Dr. Si-
mon. Herr Simon ist seit 1988 Direktor der Stiftung Neue Synagoge Berlin,
Centrum Judaicum. Er ist heute bei uns, um mit den Erfahrungen eines ehe-
maligen DDR-Bürgers über eine künftige Gedenkstättenarbeit mit nachzuden-
ken.

Unser Thema Gedenkstättenarbeit für die Nachgeborenen sagt in seinem Titel
schon aus, worum es uns geht. Wir wollen also nicht die Debatte, die wir eben

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Gedenkstättenarbeit für Nachgeborene

geführt haben, fortsetzen, sondern sie jetzt auf ganz konkrete Fragestellungen
einengen.

Ich bitte zunächst Herrn Bubis, zu uns zu sprechen. Danach bitte ich – wenn es
geht – Frau Dr. Brzosko-Medryk, zu uns zu sprechen. Und dann wird Herr Si-
mon aus seiner Sicht zu dem Fragenkatalog Stellung nehmen, und zum Schluß
bitte ich dann Herrn Dr. Durand.

Ignatz Bubis: Vielen Dank Herr Vergin. Ich will versuchen, mich kurz zu den
einzelnen Punkten des Fragenkatalogs, zu dem ich bisher schriftlich nicht
Stellung genommen habe, zu äußern.

Ich möchte vorausschicken, daß die Aufarbeitung bzw. die Beschäftigung mit
der Zeit des Nationalsozialismus relativ spät eingesetzt hat, und ich erinnere
mich, daß vor nicht allzulanger Zeit es Stimmen gegeben hat, die gemeint ha-
ben, wir sollten uns auch nicht mit der SED beschäftigen. Es hat Stimmen ge-
geben, die gemeint haben, man sollte die Akten der Gauck-Behörde möglichst
zuschütten, um zur Tagesordnung überzugehen. Ich habe mich sehr deutlich
dazu geäußert und habe dabei ausgeführt, daß man den gleichen Fehler, den
man nach 1945 gemacht hat, jetzt nicht machen darf und das Geschehene ein-
fach unter den Teppich kehren mit Amnestien und Ähnlichem mehr. Ich sage
das deshalb eingangs, weil vielleicht aus meinen späteren Ausführungen eine
Differenzierung vorgenommen werden wird, aber ich stehe nach wie vor dazu,
daß das, was der Herr Dr. Knigge mit stalinistischer Entnazifizierung gemeint
hat, und ich würde noch ein, zwei Worte dazu hinzufügen, die heute jedermann
bekannt sind, mit willigen Helfern, denn auch das hat es gegeben, Stalins wil-
lige Helfer auch im SED-Bereich, daß ich absolut für eine Aufklärung und ent-
sprechende Würdigung dieser Geschichte eintrete. Das wollte ich eingangs nur
betont haben.

Und jetzt zum Thema: Da heißt es, in absehbarer Zeit wird es keine Zeitzeugen
geben, die aus persönlicher Erfahrung über die nationalsozialistischen Kon-
zentrationslager bzw. die sowjetischen Speziallager berichten können, und was
bedeutet das für die Arbeit der Gedenkstätten. Das bedeutet, daß man versu-
chen kann und versuchen muß, das Versäumte möglichst nachzuholen, und
zwar gerade was die Speziallager angeht, nicht so viel Zeit verstreichen zu las-
sen, wie es seinerzeit geschehen ist, und die Aufklärung beider Epochen deut-
scher Geschichte, die sehr eng nebeneinander liegen, eine unbedingte Aufgabe
ist, die schnell gemacht werden muß. Mit schnell meine ich nicht etwa schnell
schnell, sondern auch gründlich. Schnellstens und gründlich muß diese Arbeit
gemacht werden. Zu dem zweiten Punkt, ob die Gestaltung der Mahnmale in
den Gedenkstätten einer würdigen Erinnerung an die Opfer gerecht wird, und
ich will mich hier schwerpunktmäßig nicht unbedingt nur auf die jüdischen
Opfer beziehen, sondern generell auf die Opfer der Zeit des Nationalsozialis-
mus, will ich hier etwas sagen. Für viele ist möglicherweise manches nicht so
geläufig und bekannt. Bekannt sind die Hauptvernichtungslager, die Haup-
tzwangsarbeitslager, die Konzentrationslager, diese Begriffe gibt es und die
sind bekannt, und wenn man jemand fragen würde, wie viele gab es davon,