Arbeitsweise

Zwei Kommissionen, ein Ziel – der Abschlussbericht

Die beiden Enquete-Kommissionen hatten nach ihrer Konstituierung am 19. März 1992 bzw. am 30. Juni 1995 bis zum Ende der jeweiligen Wahlperiode zwei bzw. drei Jahre Zeit, Expertisen, Gutachten und Berichte zu verschiedenen Themenbereichen in Auftrag zu geben und öffentliche Anhörungen mit Zeitzeugen und Expertinnen und Experten durchzuführen (WP12, WP13).

Ziel der Enquete-Kommissionen war es, die historischen Entwicklungen, Hintergründe und Zusammenhänge der Themengebiete aufzuzeigen und deren Wirkungen im Hinblick auf die Gegenwart zu erläutern. Die erarbeiteten Ergebnisse fassten die Enquete-Kommissionen in einem Abschlussbericht zusammen, der dem Deutschen Bundestag vorgelegt wurde. In diesem Abschlussbericht konkretisierten die Enquete-Kommissionen auch Empfehlungen für das weitere politische Handeln, um mögliche Parlamentsbeschlüsse vorzubereiten.

Die Mitglieder der Enquete-Kommission Jürgen Schmieder (FDP), Dr. Dorothee Wilms (CDU) (links) und Dr. Roswitha Wisniewski (CDU) (rechts) bei einer Sitzung der Kommission am 11. Dezember 1992. Quelle: Deutscher Bundestag/Werner Schüring.

Themenschwerpunkte

Die Enquete-Mitglieder konkretisierten und strukturierten zunächst ihre durch die Beschlussempfehlungen übertragenen Aufgaben.

Die Enquete-Kommission 1992-1994 beschloss am 30. Juni 1992 eine detaillierte Arbeitsgliederung mit folgenden sechs Themenfeldern:

1. Machtstrukturen und Entscheidungsmechanismen im SED-Staat und die Frage der Verantwortung

2. Rolle und Bedeutung der Ideologie der DDR, integrativer Faktoren und disziplinierender Praktiken in Staat und Gesellschaft der DDR

3. Recht, Justiz und Polizei im SED-Staat

4. Innerdeutsche Beziehung und internationale Rahmenbedingungen

5. Rolle und Selbstverständnis der Kirchen in den verschiedenen Phasen der SED-Diktatur

6. Möglichkeiten und Formen abweichenden und widerständigen Verhaltens und oppositionellen Handelns, die friedliche Revolution im Herbst 1989, die Wiedervereinigung Deutschlands und Fortwirken von Strukturen und Mechanismen der Diktatur


Dirk Hansen berichtet, wie die Themenauswahl in der ersten Enquete-Kommission zustande kam, und welche Ereignisse während der Arbeit in der Kommission ihn besonders bewegten. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.


Der damalige Sachverständige von Bündnis 90/Die Grünen Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk berichtet über die Herausforderungen und Chancen mit der die wiedervereinigte Gesellschaft Anfang der 1990er Jahre konfrontiert war. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.

Beschluss: Gliederung der künftigen Kommissionsarbeit im Hinblick auf den zu erstellenden Bericht (30.06.92). Quelle: PA-DBT 3416 EK 12/SED Prot. 1 (pdf). Die Mitglieder der Enquete-Kommission 1992-1994 beschlossen in ihrer 9. Sitzung am 30. Juni 1992, die Arbeit in sechs Themenfelder zu untergliedern. In dem Beschluss befinden sich auch Hinweise auf die Arbeitsweise und den Zeitplan der Kommissionsarbeit.

Nach ihrer Konstituierung im Juni 1995 nahm die Nachfolgekommission ihre Arbeit nach der Sommerpause mit der 2. Sitzung am 21. September 1995 auf. Die Enquete-Mitglieder konkretisierten und strukturierten auch hier die durch Beschlussempfehlung übertragenen Aufgaben in neun Themenfelder:

1. Bildung, Wissenschaft, Kultur

2. Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik

3. Das geteilte Deutschland im geteilten Europa

4. Rechtsstaatliche Aufarbeitung/Opfer der SED-Diktatur

5. Archive

6. Gedenkstätten

7. Internationale Zusammenarbeit

8. Weiterführung des Prozesses der Aufarbeitung

9. Leben in der DDR

Bernd Faulenbach erinnert sich an wesentliche Themenbereiche, die sowohl die erste als auch die zweite Enquete-Kommission abzudecken versuchte. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.

Arbeitsteilung durch Berichterstattergruppen

Zur besseren Bewältigung des Arbeitspensums richteten die Enquete-Mitglieder zu jedem Themenfeld eine Arbeitsgruppe mit jeweils zwischen vier und acht Mitgliedern ein, die auch Berichterstattergruppe genannt wurde. Jede Fraktion bzw. Gruppe durfte, wenn gewünscht, mit mindestens einem Mitglied in den Berichterstattergruppen vertreten sein.

Die Enquete-Kommission 1992–1994 strukturierte sich mit sechs Themenfeldern dementsprechend in sechs Berichterstattergruppen. Zudem bildeten sich noch vier weitere, kleinere Arbeitsgruppen zu den Themen „Archive“, „Seilschaften“, „Staatssicherheit“ und „Wirtschaft“ heraus. Die Nachfolgekommission 1995–1998 untergliederte sich in neun Berichterstattergruppen.

Die Sachverständigen Dr. h.c. Karl Wilhelm Fricke (rechts) und Prof. Dr. Manfred Wilke, beide Mitglied in der Berichtertattergruppe (BEG) 6 zum Themenfeld Opposition und Widerstand, während einer öffentlichen Anhörung. Quelle: Deutscher Bundestag/Werner Schüring.
Protokoll der 4. Sitzung am 12. Oktober 1995. Quelle: PA-DBT 3420 EK 13/SED-Prot. 1 (pdf).
Die Enquete-Kommission 1995–1998 setzte sich aus insgesamt neun Berichterstattergruppen (BEG) zusammen. In der 4. Sitzung der Kommission einigten sich die Mitglieder auf die Bezeichnungen der BEGs auf Grundlage eines Beschlussvorschlags aus der Obleute-Runde. Zudem wurde die Reihenfolge der zu bearbeitenden BEGs in der weiteren Arbeitsplanung der Kommission besprochen.

Aufgaben der Berichterstattergruppen

Die Enquete-Kommission tagte ähnlich wie reguläre Parlamentsausschüsse mit analogen Organisations- und Arbeitsformen. Um Informationen zu den vorgegebenen Themen zu gewinnen, konnte die Enquete-Kommission Gutachten und Forschungsaufträge an einzelne Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder Forschungseinrichtungen in Auftrag geben, Anfragen bei Ministerien und wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages stellen und öffentliche sowie nicht-öffentliche Anhörungen mit Experten, Interessenvertretern und sonstigen Personen durchführen.

Die Berichterstattergruppen waren dabei vorbereitendes Beratungsorgan für die Gesamtsitzungen der Enquete-Kommission. Die Aufgabe der Arbeitsgruppen war es, Vorschläge für mögliche Gutachten, Expertisen und Berichte zu ihrem Themenbereich zu erarbeiten sowie öffentliche Anhörungen und deren personelle Besetzung zu organisieren.


Gerd Poppe über den Arbeitsalltag und die Arbeitweise in den Enquete-Kommissionen. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.


Prof. Dr. Peter Maser über die Arbeitsstruktur der Enquete-Kommission und die Rolle der Berichterstattergruppen. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.

In den Sitzungen der Gesamtkommission diskutierten alle Enquete-Mitglieder anschließend über die Vorschläge der Arbeitsgruppen. Auch eingebrachte Arbeitsunterlagen und Ergebnisse der Anhörungen und Gutachten aus den Arbeitsgruppen diskutierten und bewerteten alle Enquete-Mitglieder meist in ganztägigen Sitzungen. Die Arbeitsgruppen erstellten zudem Entwürfe für die Teile des Abschlussberichts, die sie inhaltlich bearbeiteten. Die Gesamtkommission diskutierte diese Entwürfe nochmals, änderte diese gegebenenfalls und stimmte darüber ab.

„Brandenburg aktuell“ (12. März 1993) berichtet ein Jahr nach Einsetzung der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ über deren bisherige und zukünftige Arbeit. Der Vorsitzende Rainer Eppelmann gibt dabei einen Einblick in den Alltag der Kommissionsarbeit. Quelle: rbb.

Protokoll der Obleutebesprechung vom 12. November 1992. Quelle: PA-DBT 3416 EK 12/SED 106 (pdf).
Die Obleute der Fraktionen besprachen mit dem Vorsitzenden Rainer Eppelmann die Vorschläge über die Vergabe von Expertisen und Forschungsaufträgen für das Themenfeld 1, das die BEG 1 übermittelt hatte. Zudem legten die Obleute den Umfang und den Preis für die Expertisen fest.
Anweisung zur Verfahrensweise von der Vergabe von Gutachten. Quelle: PA-DBT 3416 EK 12/SED 108 (pdf).
Auf diesem Hinweisblatt vom 8. Mai 1992 finden sich alle wichtigen Punkte zur Verfahrenweise für die Vergabe von Gutachten. Es werden sowohl die Auflagen für eine Vergabe als auch die Finanzierung beschrieben, die die Mitglieder in den Berichterstattergruppen zu beachten haben.

Über 600 Zeitzeugen und Expertinnen und Experten

Das geleistete Arbeitspensum der beiden Enquete-Kommissionen war überdurchschnittlich. Die Enquete-Kommissionen holten insgesamt zu jeweils 95 Themen über 300 schriftliche Expertisen, Gutachten und Berichte ein. In der Enquete-Kommission 1992–1994 waren es 148 und in der Nachfolgekommission 1995–1998 160 wissenschaftliche Expertisen, Gutachten, Berichte von Bundes- und Landesbehörden und Forschungsarbeiten. Die Enquete-Kommissionen vergaben dabei zu einzelnen Themen mehrere Aufträge, um bei kontrovers diskutierten Problemfeldern ein pluralistisches Bild entstehen zu lassen.


Bernd Faulenbach beschreibt, welche Aufgaben er als Sachverständiger in den Enquete-Kommissionen hatte und welchen Arbeitsaufwand dies für ihn bedeutete. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.


Martin Michael Passauer erinnert sich an das enorme Arbeitspensum, das die Mitglieder der Kommission bewältigen mussten, aber auch an die gute Zusammenarbeit innerhalb der Enquete-Kommission. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.

Beide Enquete-Kommissionen veranstalteten 69 öffentliche Anhörungen mit über 600 Zeitzeugen und Expertinnen und Experten. Die erste Enquete-Kommission führte dabei in nur 27 Monaten 44 öffentliche Anhörungen und 37 nicht-öffentliche Sitzungen durch, während die zweite Enquete-Kommission in ihren drei Jahren 25 öffentliche Anhörungen und 29 nicht-öffentliche Sitzungen umsetzte. Allein in der ersten Enquete-Kommission gab es zudem insgesamt über 120 zusätzliche Zusammenkünfte der verschiedenen  Berichterstattergruppen. Beide Enquete-Kommissionen hörten nahezu gleichviele Zeitzeugen an. Orte der öffentlichen Anhörungen waren Bonn, Berlin, Halle, Rostock, Erfurt, Dresden, Magdeburg, Jena und Eisenhüttenstadt.