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Wahlperiode 12, Band III/1, Seiten 142 und 143
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Protokoll der 30. Sitzung

Herbert Weiz, der frühere Vizeministerratsvorsitzende und Minister für Wis-
senschaft und Technik,

Bruno Lietz, Minister für Land- und Forstwirtschaft,

Gerhard Beil, Minister für Außenhandel,

Ernst Timm, 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Rostock und

Horst Stechbarth, Generalleutnant der NVA und Vizeverteidigungsminister.

Man hat in der DDR, auch das nur als Illustration und als Beispiel, selbst
ehemalige Nationalsozialisten im Pressewesen immer wieder ausfindig machen
können. Ich denke an Kurt Blecha, den Chef des Presseamtes der Regierung
der DDR, Mitglied der NSDAP seit 1941;

Günter Kertzscher, stellvertretender Chefredakteur des „Neuen Deutschland“,
Mitglied der NSDAP seit 1937.

Es hat selbst in der Staatssicherheit ehemalige Nationalsozialisten gegeben, die
bis zum Generalsrang aufstiegen. Ich denke an Franz Gold, Generalleutnant
im MfS und lange Zeit Chef der Hauptverwaltung „Personenschutz“, Mitglied
der NSDAP seit 1938. Ein Mann, der, wie viele andere ehemalige Natio-
nalsozialisten, sich erst unter dem Eindruck des Rußlandfeldzuges und der
Mitgliedschaft im Nationalkomitee „Freies Deutschland“, zum Antifaschisten
gewandelt hat. Ebenso z. B. Manfred Hummitzsch, Generalmajor der Staats-
sicherheit, Chef der Bezirksverwaltung Leipzig, Mitglied der NSDAP seit
1943.

Natürlich sollte man dies alles nicht überschätzen, aber man muß es im Kontext
gerade zur Instrumentalisierung des Antifaschismus sehen. Die DDR-Agitation
und -Propaganda hat immer wieder hervorgehoben, wie radikal die Säuberung
der Justiz von ehemaligen Nationalsozialisten erfolgt ist. Das hinderte aber die
Justiz der DDR nicht daran, von 1949 bis 1960 einen Präsidenten des Obersten
Gerichtes zu haben, Kurt Schumann, der 1936 Mitglied der NSDAP geworden
war und der während des Krieges als Kriegsgerichtsrat in der Wehrmacht
Adolf Hitlers tätig geworden ist. Ein Mann, der unter anderem verantwortlich
für ein politisches Todesurteil ist, gegen Joachim Wiebach, das Ulbricht, durch
Handvermerk vor der Hauptverhandlung selbst angeregt hat. Ein Mann also,
der auch hier Gehorsam bewies, wie er ihn vermutlich in der Nazizeit bewiesen
hat.

Natürlich sind in der DDR auch Strafprozesse gegen Nazis und Kriegs-
verbrecher durchgeführt worden, deren Verurteilung durchaus als rechtens
anerkannt werden muß, die also auch unter rechtsstaatlichen Voraussetzungen
verurteilt worden wären. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß auch diese
Prozesse politisch instrumentalisiert und genutzt worden sind, ich denke an
die Waldheimer-Prozesse, worauf ich hier nicht näher eingehen brauche. Die
Kehrseite der Medaille war, daß die SED auch die Verurteilung von Schuldigen
aus der Nazizeit verhindert hat. Auch dafür zwei Beispiele:

143
Antifaschismus und Rechtsradikalismus

Arno von Lenski war Gutachter und Beisitzer am Volksgerichtshof der
nationalsozialistischen Diktatur, hat an Todesurteilen mitgewirkt, ist jedoch
nie zur Rechenschaft gezogen worden.

Ernst Großmann, immerhin ein Mann, der es bis zur Mitgliedschaft im
Zentralkomitee der SED gebracht hat, war früher, wie es später enttarnt wurde,
zu SS-Zeiten als Wachposten im Konzentrationslager Sachsenhausen tätig.
Er ist zwar aus dem ZK ausgeschlossen worden, aber nie zur Rechenschaft
gezogen worden.

Noch zwei ergänzende Beispiele zu den erschütternden Namen und Beispielen,
die Herr Fippel genannt hat.

Ich möchte hier Ernst Reschke erwähnen, zuletzt Leiter des Zuchthauses
Bautzen, der eines Tages unter den Mitgefangenen, die 1950 aus sowjetischer
Haft an die Volkspolizei übergeben wurden, frühere Mitgefangene traf, mit
denen er, ein Altkommun ist, in der Nazizeit gemeinsam im Zuchthaus gesessen
hatte, was dann zu seinem Protest führte, mit dem Ergebnis, daß er selbst vor
ein sowjetisches Militärtribunal gestellt und verurteilt wurde und seine Proteste
mit mehreren Jahren politischer Haft in Workuta bezahlen mußte.

Und zum Fall Robert Havemann vielleicht noch als kleine ergänzende
Arabeske, daß der Rektor, der seine Relegation von der Universität betrieben
hat, ein Mann namens Werner Hartke war, Mitglied der NSDAP.

(Einwurf: Entschuldigung, das war die Akademie.)

Entschuldigung, aber am Tatbestand hat sich dadurch nichts geändert. Damit
möchte ich eigentlich meine Ausführungen schon schließen, vielleicht noch
mit dem Hinweis, daß gerade die Instrumentalisierung des Antifaschismus
unter den Bedingungen der SED-Diktatur auch dazu geführt hat, daß der
Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 als faschistischer Putschversuch diffamiert
wurde, das entspricht derselben Logik, wie auch Herr Wilke hervorgehoben
hat, daß die Ulbricht-Mauer als „antifaschistischer Schutzwall“ bezeichnet
wurde. Vielen Dank.

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Ihnen, lieber Herr Fricke, einen ganz
besonderen Dank, daß Sie sich darauf eingelassen haben, in so kurzer Zeit Ihr
Gedächtnis zu befragen und Ihre Sachkompetenz zum Ausdruck zu bringen.
Wir haben fünf Einführungsstatements oder Referate gehört und haben jetzt
die Möglichkeit, miteinander darüber ins Gespräch zu kommen und Fragen
zu stellen. Es liegen bisher zehn Meldungen vor. Der erste ist Gerd Poppe.

Abg. Poppe (Bündnis 90/Die Grünen): Ich will weniger Fragen stellen, als
vielmehr zu einem Vortrag ein paar Anmerkungen machen. Ich meine damit
den Vortrag von Manfred Wilke.

Ich habe damit meine Probleme. Zwar ist die Tatsache, daß Antifaschismus
von der SED zum politischen Kampfbegriff gemacht wurde und der Instru-
mentalisierung und Manipulierung diente unumstritten, das hat auch Herr