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Unseren Recherchen kam ferner zugute, daß die Baseler Bank Anfang der 80er
Jahre ihr weltweites Meldenetz über die Kreditvergabe der Banken der OECD-
Staaten beträchtlich komplettiert hatte, so daß es nur noch wenige Erfassungs-
lücken gab.
Damit waren alle Informations-Voraussetzungen vorhanden, um die Bonität
oder den noch vorhandenen Grad der Zahlungsfähigkeit der DDR zu ermitteln.
Das Ergebnis war erschreckend. Der SED-Staat stand am Abgrund der Zah-
lungsunfähigkeit.
Die „Schuldendienstquote“ der DDR lag 1977 nicht, wie von mir noch 1979
aufgrund unzulänglicher Bankstatistiken ermittelt, zwischen 50-60 %, sondern
bereits in diesem Jahr bei 144 %. Bis 1980 kletterte diese Quote auf 168 % und
erreichte 1981 und 1982 Spitzenwerte von 190 % und 183 %.
Daraus folgte, daß 1981/82 die konkreten Zins- und Tilgungsverpflichtungen
der DDR gegenüber dem Westen fast doppelt so hoch waren wie die gesamten
Devisenerlöse aus dem Westhandel.
Die DDR konnte streng genommen Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre
keine Westimporte mehr aus eigener Kraft bezahlen, und zwar weder Investiti-
onsgütereinfuhren zur Modernisierung ihrer weitgehend verschlissenen Pro-
duktionsanlagen noch Konsumgüter zum Stopfen von Versorgungslücken.
Diese Lage des SED-Staates am Abgrund der Zahlungsunfähigkeit in Verbin-
dung mit den gewaltig angestiegenen außenwirtschaftlichen Belastungen im
Ost- oder RGW-Handel erklärte maßgebend auch alle bis dahin von der SED-
Wirtschaftsführung ergriffenen und dann von ihr in den Folgejahren unter-
nommenen verzweifelten wirtschaftspolitischen Rettungsversuche. Damit
komme ich zum Schluß.
In den elf Jahren von 1980 bis 1991 hat das Wirtschaftsreferat des Gesamt-
deutschen Instituts 73 Analysen zur Wirtschafts-, Außenhandels,- Verkehrs-
und Sozialpolitik der DDR, zur Wirtschaftsentwicklung Ostdeutschlands, zur
Energiewirtschaft und zur Umweltpolitik der DDR-Regierung sowie zur Um-
weltverwüstung jenseits der Elbe vorgelegt. Diese Analysen wurden als „Ma-
nuskriptdrucke“ in einer Auflage zwischen 50 bis 200 Exemplaren hergestellt.
Alle Aufklärungs- und Politikberatungsstudien wurden umgehend nach ihrer
Fertigstellung entsprechend einem mit dem Bundesministerium für innerdeut-
sche Beziehungen (Frau Dr. Marlies Jansen sitzt da oben, mit ihr wurden die
Verteiler nämlich damals abgestimmt), abgestimmten Verteiler an das Kanz-
leramt, an interessierte Bundesministerien (je nach fachlicher Zuständigkeit),
an den Deutschen Bundestag und seinen wissenschaftlichen Dienst, an einzel-
ne Bundestagsabgeordnete (auf Anfrage), an Spitzenverbände der deutschen
Wirtschaft und an befreundete DDR-Forschungsinstitute versandt.
Die Deutsche Bundesbank, und damit komme ich zum Schluß, wurde bei die-
ser Informationsversorgung besonders gut beliefert, denn sie erhielt jede
brandneue Studie in zwei bis vier Exemplaren auf dem Direktwege zugesandt.
Auch die „Forschungsstelle für gesamtdeutsche, wirtschaftliche und soziale
Fragen“ in Berlin, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin und
das HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung in Hamburg haben alle For-
schungsergebnisse von größerem Gewicht und sämtliche bedeutsamen Gut-
achten und Veröffentlichungen zur Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR
der Leitung der Deutschen Bundesbank zugeleitet.
Die Deutsche Bundesbank hätte also bei einer sorgfältigen Verarbeitung der
angebotenen Forschungsergebnisse nicht so ahnungslos sein müssen, wie sie
sich dann Mitte 1991 dargestellt hat.
Meine Damen und Herren, einige von Ihnen werden die zeitlose Erkenntnis
Goethes kennen, die er einst seinem Sekretär und Vertrauten Eckermann in
einem seiner posthum berühmt gewordenen „Gespräche“ mitgeteilt hat: „Man
sagt, daß Zahlen nicht die Welt regieren, aber eines weiß ich mit Sicherheit,
daß Zahlen zeigen, wie die Welt regiert wird“.
Die ernstzunehmende westdeutsche DDR-Wirtschaftsforschung hat nach mei-
ner Überzeugung jahrzehntelang trotz aller Informationssperren und trotz aller
Täuschungsmanöver bewiesen, wie die SED die DDR regiert hat. Ich danke
für’s Zuhören.
Gesprächsleiter Prof. Dr. Rainer Ortleb (F.D.P.): Als Statthalter der Zeit
muß ich darauf hinweisen, wenn ich jetzt die Überziehungen jeweils von der
Diskussionszeit abziehen würde, hätten wir nur noch gut 20 Minuten. Ich bitte
aus diesem Grund, wenn wir die Überziehung nicht eskalieren lassen wollen,
daß wir das durch Straffung der Fragen vielleicht versuchen auszugleichen.
Herr Dr. Jork bitte.
Abg. Dr.-Ing. Rainer Jork (CDU/CSU): Frau Cornelsen hat uns mitgeteilt,
daß man auf die Statistik nicht hereingefallen ist. Diese Feststellung erscheint
erst recht nach den anderen Vorträgen schillernd. Mich hätte von ihr interes-
siert (vielleicht kann uns das auch Herr Buck beantworten): An welcher Stelle
würden Sie denn den Stand der DDR-Volkswirtschaft einschätzen, wenn wir
davon ausgehen, daß man ja doch geglaubt hat, daß die DDR den 10. Platz in
der Weltliste einnahm?
Eine zweite Frage: Es ist gesagt worden, daß Schutzmaßnahmen den Nieder-
gang der DDR-Wirtschaft hätten verhindern können. In dem Sinne habe ich
das jedenfalls verstanden. Meine Frage in dem Zusammenhang an Herrn Dr.
Artzt und Herrn Professor Schneider: Hat der Gedanke unter dem Blickwinkel
noch Sinn, daß am 1. Juli 1990 ziemlich abrupt die Währungsunion kam, und
daß wir dann spätestens im September gemerkt haben, daß der Ostmarkt völlig
abgebrochen war? Danke.
Gesprächsleiter Abg. Prof. Dr. Rainer Ortleb (F.D.P.): Ich würde vorschla-
gen, daß Sie, Herr Dr. Jork, vielleicht ganz kurz in einem Stichwort, damit
Frau Dr. Cornelsen gegenüber den drei anderen Angesprochenen eine gleich-
wertige Chance hat, die Frage noch einmal wiederholen.