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Wahlperiode 13, Band VIII/1, Seiten 42 und 43
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Protokoll der 34. Sitzung

Vorgang die deutsche Politik gemeinsam beschäftigt hat, nämlich die Frage,
ob es im Hinblick auf die Vermeidung von unmittelbaren Bedrohungen nicht
so etwas wie eine „Verantwortungsgemeinschaft“ geben könnte und geben
müßte. Das hat vielleicht in der breiten Öffentlichkeit nicht so große Wirkun-
gen gehabt wie die Friedensbewegungen, und die Frage der Korrespondenz der
Friedensbewegungen Anfang der 80er Jahre in beiden deutschen Staaten ist
meines Erachtens auch eine wichtige und bisher unerforschte Frage. Hier hat
sich ja auch gezeigt, daß einige Intellektuelle in der DDR, ich denke an Günter
de Bruyn und an die erste Berliner Begegnung zur Friedensförderung, mit ih-
rem Argument, man kann nicht alle Verantwortung an Kriegsrisiken der einen
Seite zuschieben, in der Ost-West-Wahrnehmung doch eine wichtige Ver-
schiebung herbeigeführt haben.

Daß in der DDR-Bevölkerung das Selbstbild sehr stark von der westdeutschen
Beziehungsgesellschaft beeinflußt worden ist, würde ich nachhaltig behaupten,
und daß diese Tendenz zugenommen hat, auch. Sie war in den 50er Jahren si-
cherlich weniger ausgeprägt. Interessant ist, daß, soweit es Untersuchungen
über Selbst- und Fremdbilder in der DDR gegeben hat – mit den Einschrän-
kungen, die man gegenüber sozialwissenschaftlicher Forschung in der DDR
machen muß –, sich am Ende der DDR in der Jugendforschung gezeigt hat,
daß das Fremdstereotyp der Bundesdeutschen positiver war als das Selbstbild
der DDR. Das ist ein markantes Beispiel dafür, daß der Erosionsprozess in der
Akzeptanz des DDR-Systems in den 80er Jahren, das kann man auch mentali-
tätsgeschichtlich zeigen, dramatisch fortgeschritten ist. Ich hoffe, ich habe jetzt
keine Frage übersehen.

(Beifall)

Gesprächsleiter Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Adolf Jacobsen: Ja, vielen Dank
auch Ihnen, Herr Thomas. Ich glaube, meine Damen und Herren, es war ein
guter Auftakt für unsere Gesamtkonferenz, und es ist schon ansatzweise etwas
von den Schwierigkeiten deutlich geworden, heute, aus unserer Sicht nun rich-
tig einzuschätzen, wie die Wahrnehmungen damals gewesen sind im Hinblick
auf das Verhältnis der beiden deutschen Staaten. Wir werden das heute nach-
mittag fortsetzen. Bevor ich Herrn Hiller das Wort zur Verabschiedung dieser
ersten Runde gebe, möchte ich mich bei Frau Köhler und Herrn Thomas ganz
herzlich bedanken für ihre Ausführungen und für die Beantwortung der Fra-
gen. Herr Hiller.

Amtierender Vorsitzender Reinhold Hiller (Lübeck): Ja, meine Damen und
Herren, mir bleibt gar nicht mehr viel übrig, als darauf hinzuweisen, daß die
Mittagspause, wie im Programm vorgesehen, von 12.30 bis 13.30 Uhr dauert.
Wir treffen uns dann 13.30 Uhr hier wieder. Im Hause gibt es nur Kleinigkei-
ten zu essen, unten in der Cafeteria oder hier im Vorraum. Eine schöne Mit-
tagspause wünsche ich.

Amtierender Vorsitzender Reinhold Hiller (Lübeck): So meine Damen und
Herren, jetzt haben wir dem Fernsehen unsere Reverenz erwiesen, wir treten

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Wechselseitige Wahrnehmungen und ihre Nachwirkungen

ein in den weiteren Verlauf der Anhörung. Ich begrüße ganz besonders Frau
Professor Ursula A.J. Becher, Frau Ilse Spittmann-Rühle und Herrn Direktor
Dr. Peter Busse. Da ich nur eine formale Funktion im Moment habe, als einzi-
ger im Raum befindlicher Abgeordneter, gebe ich jetzt gleich das Wort weiter
an Herrn Fricke.

Gesprächsleiter Dr. h.c. Karl Wilhelm Fricke: Vielen Dank Herr Hiller.
Meine Damen und Herren, nach der so fruchtbaren Diskussion heute vormit-
tag, die eine Grundlegung war für die heutige Anhörung, werden wir uns in
den folgenden zwei Stunden im Rahmen unseres Generalthemas speziellen
Aspekten wechselseitiger Wahrnehmung im geteilten Deutschland zuwenden,
nämlich einmal dem Bild des jeweils anderen Landesteils in den Schulbü-
chern, zum anderen in der veröffentlichten Meinung in den Medien. Ihre Er-
gänzung finden diese Aspekte dann durch Erkenntnisse der DDR-Staatssi-
cherheit zur Wahrnehmung des Westens im Meinungsbild der Bevölkerung der
DDR. Ich begrüße dazu im Podium die Historikerin Frau Professor Dr. Ursula
A.J. Becher. Sie hat sich in ihrer wissenschaftlichen Arbeit ausführlich mit
Theorie und Didaktik der Geschichte und mit der Problematik von Ge-
schichtswissenschaft und öffentlichem Diskurs auseinandergesetzt, ebenso mit
der Geschichte des modernen Lebensstils. Seit 1992 ist Frau Professor Becher
Direktorin des renommierten Georg-Eckert-Instituts für internationale Schul-
buchforschung in Braunschweig. Dann heiße ich willkommen Frau Ilse Spitt-
mann-Rühle, Publizistin in Köln, als Sachkennerin ausgewiesen durch ihre
jahrzehntelange Tätigkeit als verantwortliche Redakteurin zunächst der Zeit-
schrift „SBZ-Archiv“, seit 1968 „Deutschland-Archiv“. Die Redaktion des
Deutschland-Archivs hat Frau Spittmann bis Mai 1995 geleitet. Zu ihren zahl-
reichen Publikationen gehören zwei DDR-Lesebücher, die sie gemeinsam mit
Gisela Helwig herausgegeben hat, die heute geradezu Dokumentationen für die
Wahrnehmung der DDR in der alten Bundesrepublik darstellen. Drittens be-
grüße ich in dieser Runde Herrn Dr. Peter Busse, Direktor beim Bundesbeauf-
tragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deut-
schen Demokratischen Republik, so die umständliche Bezeichnung der im
Umgangsdeutsch kurz sogenannten Gauck-Behörde. Herr Busse ist promo-
vierter Jurist und seit 1995, seit August 1995, in seinem heutigen Amt tätig.
Von ihm werden wir hören, wie das Ministerium für Staatssicherheit die
Wahrnehmung des Westens im Denken und Fühlen der DDR-Bevölkerung
einst eingeschätzt hat. Ich denke, ich halte mich mit keiner Vorrede auf, son-
dern bitte die Teilnehmer, die paar Experten hier im Podium zunächst, daß wir
ihre Statements entgegennehmen, Kurzvorträge von jeweils etwa 15 Minuten
Dauer, um danach den Mitgliedern der Enquete-Kommission Gelegenheit zu
Meinungsäußerungen und zu Fragen zu geben. Frau Professor Becher, Sie ha-
ben das Wort.

Prof. Dr. Ursula A. J. Becher: Dankeschön. Ich spreche hier als Schulbuch-
forscherin, nicht als DDR-Forscherin, denn das bin ich nicht. Es geht um das
Bild, das in den Schulbüchern der beiden, wie wir heute sagen, Landesteile
vermittelt worden ist. Der Forschungsstand ist noch nicht sehr gut. 1986 hat