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Wahlperiode 13, Band VIII/1, Seiten 48 und 49
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Protokoll der 34. Sitzung

Nachteile beider Systeme kommen. Aber man bleibt bei Systemvergleichen,
deren methodische Probleme auch nicht immer reflektiert werden.

Ich komme zu einer abschließenden Zusammenfassung. Wenn man die wech-
selseitige Wahrnehmung in den Schulbüchern vergleicht, kann man sagen, daß
es sowohl in der DDR wie in der Bundesrepublik für Schüler und Schülerinnen
kaum möglich war, in ihren Schulbüchern ein präzises Bild vom Leben im je-
weils anderen Teil Deutschlands zu erhalten. Die in den 50er und 60er Jahren
erschienenen Schulbücher vermitteln antagonistische Bilder. Der andere Teil
Deutschlands ist die schlechte Antithese zum eigenen Selbstbild. In den DDR-
Büchern bleibt dieses Darstellungsmuster während des ganzen Zeitraums un-
verändert. Die Bundesrepublik ist der aggressive, imperialistische, die soziali-
stische DDR bedrohende Staat. In der Bundesrepublik gibt der Ost-West-
Gegensatz die Perspektive vor, die DDR ist Teil des Ostblocks, von dem Ge-
fährdungen für den Westen ausgehen. Das ist das Bild, von dem wir ausgehen
müssen. In der Bundesrepublik ändert sich, vielleicht nicht unbedingt das Bild,
aber wohl der Blick in den 70er und 80er Jahren. Zwar werden in den Büchern
zur Politischen Bildung Systemvergleiche weiter verwandt, die, methodisch
unreflektiert, antagonistische Bilder hervorbringen können. Aber – das ist das
Wichtige für die didaktische Konzeption dieser Bücher –, das Ziel der Dar-
stellung und des Unterrichts war nicht, den Schülern ein fertiges Bild zu ver-
mitteln. Die didaktischen Prinzipien verlangten von den Schülern und Schüle-
rinnen eine argumentative Auseinandersetzung. In den Geschichtsbüchern
wird zutreffend, nüchtern und differenziert, wenn auch nicht intensiv über die
DDR berichtet, aber die Darstellung bleibt weitgehend auf das Macht- und
Herrschaftssystem der DDR konzentriert. Das Leben der Menschen in der
DDR wird nicht anschaulich. Ich habe freilich, ich kann ja jetzt nur Tendenzen
anzeigen angesichts eines großen Schulbuchangebots, durchaus ein Politik-
buch von 1986 gefunden, das genau das versucht, daß der Alltag der DDR mit
allen möglichen Zeitungsausschnitten, Buchausschnitten usw. deutlich wird.
Das hat es gegeben, aber auch da ist die Überschrift: „Die DDR – ein fremdes,
unbekanntes Land.“ Die Frage, die sich vielleicht aufdrängt, ist die: Was haben
diese Bilder vermocht, wie haben sie denn gewirkt? Das ist außerordentlich
schwer zu sagen, da ist der Forschungsstand noch gering. Wir wissen sehr we-
nig von den Wirkungen der Bilder auf das Bewußtsein der Menschen, da müs-
sen wir noch weiter forschen. Heute morgen haben wir schon mehreres gehört.
Die Schulbücher waren ja nicht die einzige Informationsquelle, sondern es gab
daneben das Fernsehen, es gab andere Bilder. Dazu kommt, die DDR-Schul-
bücher sind in einer so unjugendmäßigen Sprache verfaßt und stecken so voller
Klischees, daß man kaum annehmen kann, daß sie die Schüler sehr überzeugt
haben. Aber Genaueres wissen wir leider nicht. Dankeschön.

Gesprächsleiter Dr. h.c. Karl Wilhelm Fricke: Vielen Dank Frau Becher für
Ihr interessantes Referat, das statt einer Viertelstunde 25 Minuten gedauert hat.
Die Quintessenz Ihres Referates besteht, glaube ich, darin, daß manche Defi-
zite in der wechselseitigen Wahrnehmung auch und gerade den Schulbüchern
zu schulden sind, in der DDR absolut, in der Bundesrepublik alt zumindest re-

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Wechselseitige Wahrnehmungen und ihre Nachwirkungen

lativ. Ich bin gespannt, ob das in der Wirkung der Medien ähnlich ist, dazu
wird uns jetzt Frau Spittmann vortragen. Bitteschön.

Ilse Spittmann-Rühle: Danke. Zu meinem Thema haben schon Frau Dr.
Köhler und Herr Thomas sehr viel gesagt. Außerdem hatten Sie hier schon ei-
ne Anhörung über die Pressepolitik der DDR und Grundsätze der Pressepoli-
tik, Zensur, Reglementierung und auch den Stasieinfluß. Das werde ich jetzt
weitgehend vernachlässigen. Ich hoffe, daß es mir gelingt, Sie nicht mit Wie-
derholungen zu langweilen. Zu Anfang möchte ich etwas darüber sagen, wie in
der DDR und in der Bundesrepublik man überhaupt an Medien der anderen
Seite kommen konnte. Ganz am Anfang bis 1948 konnte man in allen vier Be-
satzungszonen die von den einzelnen Besatzungsmächten zensierten Zeitungen
und Zeitschriften überall kaufen. Die sowjetische Militäradministration hat
dann den öffentlichen Vertrieb der westlichen Presse für die Sowjetzone und
Berlin im April 1948 verboten. Die DDR-Regierung hat das später übernom-
men. Einen öffentlichen Verkauf von westlichen Presseorganen gab es seitdem
nicht mehr, bis zum Schluß. Westliche Periodika konnte man nur abonnieren,
wenn sie auf einer vom Presseamt des Ministerrates zu genehmigenden Post-
zeitungsliste standen. Das waren nur wenige Titel, meistens Fachorgane, und
jedes Abonnement mußte vom Politbüro und vom ZK-Sekretär für Agitation
und Propaganda genehmigt werden. Das galt selbst für Minister, Staatssekretä-
re, Blockparteien, prominente Politiker und Schriftsteller. Gunter Holzweißig
gibt darüber in seinem Buch über die Pressepolitik der DDR eine ganze Reihe
von Beispielen aus den Akten, die zum Teil sehr erstaunlich sind. Zum Bei-
spiel enthält die Liste der Empfänger des „Spiegel“ von 1975 62 Institutionen
und 10 Einzelpersonen, wobei die Einzelpersonen ganz offensichtlich durch
irgendwelche Beziehungen dazu gekommen sind, da ist überhaupt kein System
zu entdecken. Da sind also z. B. die Anneli Thorndike, Anna Seghers, Her-
mann Kant, der mußte es aber bezahlen. Die meisten Institutionen haben
1 Exemplar bekommen, z. B. auch das Presseamt und der Journalistenverband,
das ZK der SED erhielt 32, der Zeitungsausschnittdienst 24 und das Ministeri-
um für Nationale Verteidigung 10 Exemplare. Ansonsten waren es immer ma-
ximal 2 Exemplare, und das waren alles staatlich bezahlte Abonnements bis
auf zwei – ich weiß jetzt den Zweiten nicht, Hermann Kant und noch jemand,
die haben es bezahlt aus eigenen Devisenerlösen, der andere muß auch ein
Schriftsteller gewesen sein. Bis zur Mauer konnte man westliche Drucker-
zeugnisse als Ostberliner und DDR-Bürger in Westberlin einkaufen, aber man
mußte aufpassen, daß sie nicht entdeckt wurden, dann wurden sie beschlag-
nahmt. Ab 1977 wurde dann im Zuge der Verwirklichung der KSZE-Schluß-
akte und nach dem Beispiel anderer Ostblockländer ein begrenzter Verkauf
von ausländischen Zeitungen und Zeitschriften in Devisenhotels der DDR,
aber nur an Hotelgäste und gegen Devisen, zugelassen. Aus der Bundesrepu-
blik waren das die Süddeutsche Zeitung, die FAZ, die Frankfurter Rundschau
und der Tagesspiegel. Dann gab es außerdem noch illegale Bezugsmöglich-
keiten für DDR-Bürger, die Hotelgäste kannten, Journalisten, Diplomaten.