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Wahlperiode 13, Band VIII/1, Seiten 62 und 63
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Protokoll der 34. Sitzung

zukommen ließen, wenigstens einen finanziellen Ausgleich in freikonvertier-
barer Währung zahlen.

Zusammenfassend: Bei aller Vorläufigkeit läßt sich aus den Materialien des
MfS ablesen, daß dieses Organ zu jeder Zeit über die tatsächliche Fixierung
der DDR-Bürger auf die Bundesrepublik durchaus informiert war. Es wußte,
daß alle Propaganda und alle abgrenzenden Maßnahmen kaum Wirkungen er-
zielten. Es wußte, daß es eine innere Spaltung Deutschlands nicht gab, und es
spricht für die völlige Ignoranz der SED-Politik, daß sie trotz des Wissens um
die gesamtdeutsche Orientierung kein Politikkonzept entwickelt hat, das auf
diese Interessen Rücksicht nahm. Die Ostdeutschen konnten zwar nicht mit
einer schnellen Wiedervereinigung rechnen, hofften aber doch jederzeit auf die
westdeutsche Politik. Diese sollte Reisemöglichkeiten und andere Verbesse-
rungen schaffen. Die Ostdeutschen haben wohl zu großen Teilen die politische
Verfaßtheit der Bundesrepublik akzeptiert. Sie waren von der wirtschaftlichen
Kraft, dem Lebensstandard beeindruckt. Viele Bereiche fanden sie faszinie-
rend, Technik, Lebensweise, Unterhaltungskultur und so weiter. Aus den MfS-
Berichten geht hervor, daß es neben dem Wunsch nach Freizügigkeit vor allem
ein materielles Interesse der Ostdeutschen am „Westen“ gab. In welchem Ma-
ße die Westwahrnehmung durch ihre teilweise mediale Vermittlung bestimmte
überzeichnete Idealbilder geschaffen hat, läßt sich aus den MfS-Akten nicht
unmittelbar erschließen. Dies ist aber schon deswegen anzunehmen, weil man-
che Enttäuschung in Ostdeutschland nach der Wende sich doch mit einer ge-
wissen Illusionierung des „Westens“ zu DDR-Zeiten erklären ließe. Auch die
lange Trennung und die unterschiedlichen Lebenssituationen haben sich auf
mentale Prägungen ausgewirkt. Einiger Unmut, der heute in Ostdeutschland
über die Vereinigung geäußert wird, geht wohl vorwiegend auf diese mentalen
Differenzen zurück. Das verbreitete Gefühl unter Ostdeutschen, im Vergleich
mit den Westdeutschen benachteiligt zu sein, gab es schon in der DDR. In ei-
ner Bevölkerung, die sich nicht auf Rechte verlassen konnte, sondern in einem
System von leistungsunabhängigen Privilegienzuteilungen lebte, mußten
Zweifel am eigenen Selbstwert aufkommen. Das MfS meldete schon 1978, daß
sich die DDR-Bürger als „Menschen zweiter Klasse“ fühlten. Dankeschön.

Gesprächsleiter Dr. h.c. Karl Wilhelm Fricke: Vielen Dank Herr Busse für
Ihre Ausführungen, die sich nicht zuletzt dadurch als besonders wertvoll er-
weisen, daß Sie Originalzitate aus den Stimmungsberichten aus der DDR hier
eingeflochten haben. Stimmungsberichte, die meines Erachtens, mit Ausnahme
der Stimmungsberichte des Jahres 1989, bis heute noch nicht veröffentlicht
worden sind. Dafür bin ich Ihnen besonders dankbar. Ich darf nun die Diskus-
sion, die Runde der Meinungsäußerungen und Fragen, durch die Abgeordneten
und Sachverständigen der Enquete-Kommission eröffnen. Mir liegt eine Red-
nerliste vor, die voraussichtlich zwei Runden umfassen wird. Ich habe zu-
nächst das Wort zu erteilen dem Vorsitzenden der Kommission, Herrn Abge-
ordneten Eppelmann, dann folgen der Abgeordnete Vergin, der Sachverständi-
ge Kowalczuk, Sachverständiger Jacobsen und der Abgeordnete Elm. Sind
noch Wortmeldungen da? Also Herr Maser in der zweiten Runde, ferner Herr

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Wechselseitige Wahrnehmungen und ihre Nachwirkungen

Faulenbach, Herr Burrichter, Herr Mocek und Herr Hiller. Vielen Dank, dann
darf ich die Rednerliste schließen. Dann haben wir genau zwei schön ausge-
wogene Runden, und ich darf Herrn Eppelmann bitten, das Wort zu nehmen.

Abg. Rainer Eppelmann (CDU/CSU): Dankeschön, ich habe zwei Fragen.
Eine an Herrn Direktor Dr. Busse und eine an Frau Professor Becher. Die erste
an Herrn Busse. Man erzählt sich in Berlin, daß der Professor und Rechtsan-
walt Vogel bei Honecker einmal Klage darüber geführt hätte, die an ihn heran-
getragen worden sei, daß Leute, die bei einer Amnestie rausgekommen sind,
zu DDR-Zeiten, daß die relativ kurz danach zum großen Teil wieder inhaftiert
gewesen seien, daß das politische Fälle gewesen seien. Honecker hatte sich das
in sein berühmtes grünes Notizbüchlein eingeschrieben und versprochen, sich
darum zu kümmern. Als die beiden sich das nächste Mal gesehen haben, hat
der Genosse Honecker dem Genossen Vogel gesagt, er habe sich inzwischen
mit dem Genossen Generalstaatsanwalt unterhalten, und der habe gesagt, das
seien natürlich keine Politischen gewesen, sondern das seien alles Chaoten
gewesen, die der DDR Schlimmes zufügen wollten. Auf dem Hintergrund die-
ser Geschichte, von der ich nicht weiß, ob sie tatsächlich passiert ist, meine
Frage: Ist aus den Akten zu erkennen, ob es nur Mißtrauen der Staats- und
Parteiführung gewesen ist, sich solche Berichte zuliefern zu lassen durch die
Staatssicherheit, oder war das auch ein Stück Neugierde, um Befindlichkeit
und Empfindungen der Bevölkerung mitzubekommen? Wie ist die Partei- und
Staatsführung mit diesen Informationen umgegangen? Ist man denn darum
bemüht gewesen, die berechtigen Belange und Interessen und Beschwernisse
der Bürger ernstzunehmen und entsprechend zu handeln? Möglicherweise ha-
ben Sie darauf eine Antwort gegeben, sie ging aber nicht aus Ihrem kurzen
Text hervor. Dann würde mich etwas interessieren, was die Schulbücher und
den Unterricht angeht, und zwar auf dem Hintergrund dessen, was ich in Ei-
senhüttenstadt erlebt habe bei der öffentlichen Veranstaltung, die die Enquete-
Kommission da durchgeführt hat. Zwei Zitate, damit alle, die nicht dabei wa-
ren, wissen, wie luxuriös wir da miteinander haben reden können und infor-
miert worden sind: Unsere Schulbücher sind alle wunderbar gewesen, die
Schulbücher in der Deutschen Demokratischen Republik. Wir haben nur vor-
zügliche und engagierte Lehrer gehabt, und die Lehrer heute sind viel viel
schlechter als die, die von morgens früh bis abends spät sich zu DDR-Zeiten
nur um die Kinder bemüht haben. Ich würde Sie gerne fragen wollen: Was
wird wie heute in den Schulbüchern und den Schulen der neuen Bundesländer
über die Zeit zwischen 1945 und 1990 in der DDR unterrichtet?

Gesprächsleiter Dr. h.c. Karl Wilhelm Fricke: Vielen Dank, Herr Eppel-
mann. Herr Vergin bitte.

Abg. Siegfried Vergin (SPD): Ich möchte mich auch an Frau Professor Be-
cher wenden. Ich habe inzwischen den Text noch einmal nachgelesen, und ich
erinnerte mich, daß Sie zum Schluß kurz angedeutet haben, daß man über die
Wirkung der Schulbücher im Grunde genommen wenig sagen kann. Deswegen
meine generelle Frage: Gibt es denn überhaupt Untersuchungen über die Wir-