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und sozialethisch engagierten Gruppen sammelten, oder auch viele andere, die
zu nennen wären.
Wer in Verweigerung, im Gegenüber zum totalen Anspruch des Staates und
der Ideologie eine Alternative gesehen hat, hat damit Widerstand geweckt,
und damit wurde damals in der DDR auch politisches Bewußtsein erzeugt.
Tatsächlich waren es vielleicht wenige, die von der Verweigerung zum
Widerstand übergehen konnten, aber diese wenigen werden letzten Endes auch
für die deutsche Geschichte einen Faktor bilden, der in der Gesamtbewertung
ausschlaggebend sein wird.
Man muß die Polemiken, die heute geführt werden, von diesem Standpunkt
aus sehen. Auch in der nationalsozialistischen Zeit waren es wenige; aber
die wenigen haben die Zukunft und politisches Handeln in der Zukunft
legitimiert.
Zehntens und letztens. Verweigerung als individuelle Lebensstrategie gegen
die totalen Ansprüche ist das Bewußtsein des Demokraten. Und wenn
auch, wie Rainer Eppelmann es gesagt hat, die DDR und ihre Wirklichkeit
untergegangen ist, diese Verhaltensweisen gehen nicht unter. Denn auch heute
gibt es neue totale Ansprüche, die wir oft so schwer identifizieren können, weil
sie sich als Normalität tarnen: die totalen Ansprüche der Nation der Deutschen,
die Ansprüche des Konsums, einer totalen Wahrheit in vielen versteckten
kleinen Dingen, die wir meist gar nicht mehr wahrnehmen können.
Auch hier gibt es eine Verweigerung, die Teil und Grundlage der demokrati-
schen Ordnung ist, und auch das, was in der DDR geschehen ist auf unserem
Weg zwischen Anpassung und Verweigerung, muß von daher gesehen werden.
Und ich denke, da können wir – trotz allem Versagen – auch sehen, daß die
demokratische Entwicklung bei vielen einzelnen Individuen schon längst vor
der Revolution im Herbst 1989 begonnen hat.
(Beifall)
Vorsitzender Rainer Eppelmann: Ganz herzlichen Dank an Herrn Neubert.
Wir bitten den nächsten Referenten, Herrn Wolfgang Templin, zum Thema
„Mobilisierungsstrategien und politische Bewußtseinsbildung im realen So-
zialismus“.
Wolfgang Templin: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und
Herren! Ich hoffe, Ihnen hat die ambitionierte Formulierung meines Themas
nicht ähnlich wie mir den Angstschweiß förmlich in den Nacken getrieben.
Ich hatte die ganze Zeit nur die Hoffnung, Ihnen glaubhaft machen zu können,
ich würde das Thema nicht ganz so kompliziert anpacken oder dies wenigstens
versuchen. Aber ich habe jetzt schon gemerkt, daß das, was ich Ihnen sagen
möchte, zu den Eingangsworten von Rainer Eppelmannn und zu dem, was
Ehrhart Neubert vor mir sagte, in einem, so denke ich, guten Kontrast steht.
Denn mich hat, dem Thema der Frage gewissermaßen von der anderen Seite
her angenähert, in der Vorbereitung auf heute noch einmal sehr intensiv
die Frage beschäftigt: Was hielt eigentlich bei und trotz allen Befunden,
die man heute über den maroden Zustand nahezu aller gesellschaftlichen
Bereiche dieser DDR hat, diese Gesellschaft bis zum Schluß nach außen,
aber auch vom inneren Eindruck her doch relativ stabil beieinander, bis es
dann zu den Ereignissen von 1989 kam? War es wirklich nur das abgestufte
Repressionssystem? War es wirklich der durchorganisierte Kontrollstaat mit
seinem Druck und der Lähmung, die er erzeugte? Oder war es nicht
diese Kombination, die sich auch in meinem Titel mit ausdrückt, von
im einen Extrem offenen Privilegien, abgestuften Belohnungen und einer
Identifikationsvielfalt, die von den herausgehobenen Existenzen der politischen
Herrschaftssphäre wiederum bis in die Alltäglichkeit reichte?
Ich kann Kritiker und Kritiken einer Vereinfachung in der Darstellung der
DDR-Geschichte bis zu einem gewissen Grade sehr gut verstehen, wenn sie
sagen: Hört endlich auf, die DDR nur schwarz-weiß zu sehen; hört endlich
auf, die DDR-Geschichte auf Repression und Stasi einzuschränken und zu
begrenzen! Ich denke, die Grautöne, die Zwischentöne sind wichtig genug.
Nur genau sie – das hat auch Ehrhart Neubert schon ausgeführt –, genau
diese Zwischentöne werden uns nicht in die Gleichförmigkeit der gleichen
Existenzen und des von außen Bedingtseins führen, sondern sie werden
die Möglichkeiten für Entscheidung, aber auch die Verhinderungsgründe für
Entscheidungen und die Möglichkeiten, Entscheidungen, die eigentlich für den
einzelen lange anstanden, jahre- oder auch jahrzehntelang hinauszuschieben,
deutlich machen.
Meine Kernthese ist, daß einem abgestuften System von Repressionen, das
am einen Rand aktiver werdende Verweigerer bis hin zu den am härtesten
angegangenen Oppositionellen betraf, eine Kombination von Belohnung und,
psychologisch würde man sagen wollen: fortgesetztem Drohen mit dem
Liebesentzug entsprach. Und dies diente dazu, einen großen anderen Teil
der Bevölkerung – die ich nicht so gern in das passive Wort „Anpassung“
subsumieren möchte, weil sich hinter der Haltung, die „Anpassung“ oft meint,
viele Aktivitätsgrade verbergen – im Grunde genommen in einem System
anderer Art von Kontrolle zu halten, als es das äußere Bild suggeriert. Das
äußere Kontrollbild legt den Eindruck nahe, daß es um totale Gleichschaltung
ging. Ich denke, in der Geschichte der DDR – und ich habe hier die siebziger
und achtziger Jahre vor Augen – war die mögliche Spielregelverletzung,
d. h. das, was in den fünfziger und sechziger Jahren noch als tabuisiert galt,
was auf keinen Fall geschehen durfte und mit harten Sanktionen geahndet
wurde, relativ weit gediehen – diese eingeschränkte Spielregelverletzung, die
im privaten Bereich immer an dem vorher geforderten Anpassungsstandard
gemessen wurde.
Anders als es dem äußeren Betrachter zunächst erscheint, war die Haupt-