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Wahlperiode 12, Band IV, Seiten 44 und 45
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Protokoll der 37. Sitzung

der SMAD-Richtlinie auch die Leipziger Absolventen als Volksrichter in der
Praxis eingesetzt wurden.

1951 endete die sächsische Richterausbildung in Bad Schandau und wurde
von der Zentralen Richterschule in Potsdam-Babelsberg fortgesetzt. Diese
Lehranstalt unterstand direkt dem Justizministerium der DDR, das in dem
Lehrplan dem gesellschaftspolitischen Unterricht den Vorrang einräumte, den
die SMAD und SED so lange gefordert hatte. Die Rechtswissenschaft war
kein eigenständiges Gebiet mehr und galt fortan als Zweig der Gesellschafts-
wissenschaft. Vielen Dank. (Beifall)

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herzlichen Dank, Frau Pfannkuch. Man
muß einfach mal eines würdigen: Sachkompetenz haben wir ja bei denen,
die wir eingeladen haben, vorausgesetzt. Daß Sie sich aber auch noch so
genau an den vorgegebenen Zeitplan halten, das ist einmalig und erstmalig,
so daß es einfach Erwähnung finden muß. Wir können es uns jetzt leisten,
10 Minuten Pause zu machen. Wir fahren also pünktlich um 12.40 Uhr fort.
(Unterbrechung der Sitzung bis 12.40 Uhr).

Fortsetzung der Sitzung:

Stellv. Vorsitzende Margot von Renesse: Ich habe bereits drei Wortmeldun-
gen. Herr Meckel hatte sich als erster gemeldet, und dann folgt Herr Prof.
Wolf.

Abg. Meckel (SPD): Ich habe zwei Fragen. Die Funktionalisierung und In-
strumentalisierung des Rechts wurde meines Erachtens sehr schön dargestellt.
Gleichzeitig ist ja versucht worden, die Positivität dieses Rechtes, jedenfalls als
Form zu gewährleisten. Wurde der Schein, d. h. die Positivität des Rechts, dann
aber möglicherweise an bestimmten Stellen doch auch wieder zu einer reellen
Wirklichkeit, die die Instrumentalisierung des Rechts durch die SED punktuell
an einzelnen Stellen behindert hat? Oder hat dieses Instrumentalisieren so
vollkommen geklappt, wie es für den normalen Bürger erschien? Ich habe es
selbst bei verschiedenen Prozessen erlebt, daß man dann die Verklagten erst
überreden mußte, sich überhaupt einen Rechtsanwalt zu nehmen. Sie sagten
meist: Es lohnt sich gar nicht. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. So
war das Verhältnis der Bevölkerung zum Recht. Man wußte, was da passiert
und daß eigentlich kein Recht zu holen war.

Aber trotzdem meine Frage: Kennen Sie Fälle, in denen sich das geschriebene
Gesetz gegen die Interessen der SED bzw des Staates durchgesetzt hat? Hat
es doch so etwas gegeben, daß die Instrumentalisierung zumindest punktuell
erschwert wurde oder nicht möglich gewesen ist?

Zweite Frage: Wie ist es mit den Personen, die damals diese Lehrgänge
besuchten und dann als Volksrichter tätig waren? Wie lange waren sie
tätig? Gibt es möglicherweise sogar Richter, die dann bis 1989 mit dem
Volksschulabschluß und einem halben Jahr Lehrgang in Bad Schandau ihre

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Umwandlung der Justiz in den Anfangsjahren

Tätigkeit ausführten? In welcher Weise wurden sie „qualifiziert“? Wie ist dies
für die Zeit nach 1951, nachdem man damit Schluß gemacht hat? Wie ist es
danach mit den Personen weitergegangen?

Stellv. Vorsitzende Margot von Renesse: Ich gehe davon aus, Herr Meckel,
daß Ihre erste Frage sich an Herrn Alexy richtete und Ihre zweite an Frau
Pfannkuch. Zuerst Herr Wolf, dann folgt Herr Hansen.

Sv. Prof. Dr. Herbert Wolf: Ich habe zu den ersten drei Beiträgen eine
Bemerkung, eine Anfrage und einen Vorschlag.

Im Schlußteil des Vortrags von Frau Otto wurde auf die doch etwas sehr
differenziert einzuschätzenden damaligen Prozesse verwiesen. Ich glaube, da
müßte man noch einige Akzente umsetzen. Ich habe das damals selbst erlebt.
Einerseits ist es schon richtig, daß der Prozeß in der sowjetischen Besatzungs-
zone, nicht nur im Rechtswesen, sondern generell, was die Entnazifizierung
angeht, mit einem pseudoradikalen Kahlschlag verbunden gewesen ist. Ich
glaube, dazu muß man erstens sagen: Natürlich hat das verhindert, daß Leute,
die in der Tat im NS-Regime hervorragende Funktionen hatten – auf diesen
Funktionen oder irgendwie anders – weiterhin bleiben konnten. Es ist aber
nicht selten die Quelle von neuem Unrecht gewesen. Das müßte man als
erstes sagen.

Das zweite ist: Das sehr frühe Einsetzen der ideologischen Instrumentalisie-
rung der Jurisprudenz hat den Weg geöffnet für sog. NS-U-Boot-Fahrer, die
untergetaucht sind. Ich kenne allein aus meiner Leipziger Studentenzeit zwei
ganz eklatante Fälle, wo NS-Aktivisten untergetaucht sind, sich als Kom-
munisten getarnt haben und dann Funktionen übernommen haben. Natürlich,
sobald sie entlarvt wurden, flogen sie raus und wurden bestraft, das ist völlig
richtig.

Drittens: Die Instrumentalisierung hat meiner Meinung nach auch zu einer
gewissen Überschätzung seitens der Führung in bezug auf jene Maßnahmen
geführt. Ich wollte nur sagen, daß man nicht generell sagen kann: Da gab es
so etwas nicht.

Dann habe ich eine Anfrage, die sich speziell auf den Vortrag von Herrn
Prof. Alexy bezieht. Er erwähnte zitierend, daß Ulbricht diesen Gedanken der
erzieherischen Funktion des Staates gebracht habe, und daß das dort vehement
begrüßt wurde. Nach meiner Kenntnis der Dinge ist das vielleicht eine
Überschätzung. Das ist keine Ulbricht-These, sondern das ist, wenn ich nicht
irre, von Stalin auf dem 18. Parteitag noch kurz vor Beginn des Weltkrieges
zur kulturell-erzieherischen Funktion und der wirtschaftlich organisatorischen
Funktion des Staates gesagt worden. Ich sage es aber nicht zum Zwecke der
Bewährung, sondern ganz einfach, weil ich etwas anschließen will.

Es ist damals, ausgehend von dieser Stalinschen These, sehr stark betont
und immer wieder auch als Begründung für die neue Entwicklung des