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Wahlperiode 12, Band IV, Seiten 64 und 65
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Protokoll der 37. Sitzung

sollte, spielte natürlich – das habe ich selektiv herausgefunden – eine Rolle,
daß man einige kompetente Leute brauchte, um nicht alles totlaufen zu lassen.
Die Gerichtsarbeit setzte ja spätestens Ende 1945 wieder ein. Es gab ja dann
bereits die ersten Vorbereitungen. Also, ein gewisses Fachelement spielte doch
noch eine Rolle, aber nicht vordergründig.

Stellv. Vorsitzende Margot von Renesse: Vielen Dank. Herr Alexy wird uns
noch eine Antwort geben.

Prof. Dr. Robert Alexy: Ich möchte mich kurz fassen, um nicht dem
Thema einer der nächsten Sitzungen über die Babelsberger Konferenz zu sehr
vorzugreifen. Ich will nur eins bemerken:

Erstens: Kanonisierung der Ulbricht’schen Thesen. Ohne Zweifel: Ja. Die
Frage lautet nur: Wie lange? Also, wann bröckelte das ab, und wann haben wir
da einen Epochenwechsel innerhalb der DDR zu konstatieren? Ich vermute,
daß wesentliche Elemente nicht durchgehalten wurden, aber mindestens 15
Jahre Kanonisierung, würde ich sagen. Ich habe hier ein Zitat: In „Meyers
Neuem Lexikon der DDR“, Band 1, war 1975 z. B. noch zu dem Stichwort:
„Babelsberger Konferenz“ zu lesen: „Die Babelsberger Konferenz deckte
Einflüsse, bürgerliche Ideologien, Staats- und Rechtswissenschaften auf und
gab der Staats- und Rechtswissenschaft eine klare Orientierung für ihre
Aufgaben bei der sozialistischen Umwälzung des Rechts.“ – 1975 noch in
„Meyers Neuem DDR-Lexikon“. Ausdruck der steten Sorge der SED für die
Entwicklung der Rechtswissenschaften und anderer Bereiche. Kanonisierung
also ja. Es ist sehr interessant, dann in einer der nächsten Sitzungen der
Enquete-Kommission zu verfolgen: Was hat sich geändert?

Ab den 70er Jahren würde ich langsame, leise Änderungen, aber keine totale
Aufgabe dieses Konzepts annehmen. Das hat mich überhaupt bewogen, mich
damit zu beschäftigen, denn wenn wir heute z. B. DDR-Strafrecht prüfen,
dann müssen wir fragen: Waren bestimmte Dinge nach dem damaligen Recht
gedeckt? Wir dürfen nicht unsere Wertordnung dort hineingeben und müssen
es dann, wie ich das empfehle, hart mit der Radbruch’schen Formel für
Nicht-Recht erklären. So würde ich vorgehen. Aus solchen ganz praktischen
Gründen bin ich überhaupt an diese Dinge herangegangen, sonst hätte ich
niemals ein Interesse daran gehabt, über den Rechtsbegriff Walter Ulbrichts
zu arbeiten. Da gibt es Rechtsphilosophen, die sind besser. (Heiterkeit)

Das also zur Kanonisierung.

Zweitens: Genetisch. Natürlich ist auch die Babelsberger Konferenz nicht
aus purem wissenschaftlichen Interesse heraus gehalten worden. Es gab
Anlaß für die SED, das zu tun: Die Situation im damaligen Ungarn, bestimmte
Tauwettererscheinungen auch in der Sowjetunion, Aufweichungsprozesse auch
innerhalb der DDR, es gab eine Reihe von Konflikten. Darüberhinaus war
auch eine gewisse Phase, glaube ich, abgeschlossen, die in erster Linie ein
Kampf abwehrender, vernichtender Absicht gegen personelle Restbestände

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Umwandlung der Justiz in den Anfangsjahren

aus vorangegangener Zeit war. Jetzt mußte, sozusagen, die neue Mannschaft
endgültig auf das Gleis gebracht werden. Es gab also mehrere Anlässe, die
voneinander zu unterscheiden sind und Ulbricht veranlaßt hatten, damals
dieses „Theater“ abzuziehen, was dann äußerst folgenreich war. Ich würde
vielleicht sogar eine Hypothese zu äußern wagen: Es waren zwei Dinge, die
bewerkstelligt werden mußten. Die personelle Frage ist relativ früh, Stichwort
„Volksrichter“, „NS“, gelöst worden, und nun ging es um den juristisch
ideologischen Gleichschritt. Der ist mit Babelsberg eingestimmt worden.

Stellv. Vorsitzende Margot von Renesse: Bevor ich Herrn Prof. Schroeder
um die Antwort und das Schlußwort bitte, möchte ich allen Sachverständigen,
die wir hier hatten und den noch Anwesenden sehr herzlich danken. Juristische
Diskussionen, sind ja – so denken zumindest viele – immer auch etwas
esoterisch, aber in Wirklichkeit – so meine ich als Juristin – geht es da immer
um die sedes materiae.

Sv. Prof. Dr. Friedrich-Christian Schroeder: Mir bleibt eigentlich wenig
zu sagen übrig. Auf die Frage von Herrn Wilke nach den Details der
Juristenausbildung kann ich nicht antworten. Zumal, wenn Sie schon nichts
gefunden haben, dann bleibt für andere meistens noch weniger übrig, was sie
finden könnten.

(Heiterkeit)

Ich möchte aber darauf hinweisen, daß es sich dabei natürlich nur um ein
Randproblem meines Vortrages gehandelt hat. Mir ging es heute darum,
den Wandel der Rechtsauffassung darzustellen und vor allen Dingen auch
die geschichtlichen Hypotheken, die auf diesem Wandel liegen, mit dem
Oszillieren zwischen Absterben des Rechts und Umbau des Rechts zu einem
Herrschaftsinstrument in der frühen Sowjetunion. Die Juristenausbildung war
gewissermaßen nur ein Annex dazu, wie das dann umgesetzt wurde. Ich
möchte darauf hinweisen, daß wir ausdrücklich eine Expertise zum Thema
„Juristenausbildung“ vergeben haben, die das dann ausführlich behandelt.

Dann hat Herr Alexy schon mit Recht darauf hingewiesen, daß wir heute
eigentlich schon in den Gegenstand unserer nächsten Anhörung hineingeraten
sind. Am 28. Mai wollen wir ja eine Veranstaltung machen über die Babels-
berger Konferenz. Daß Herr Alexy daran nicht teilnimmt, liegt nur daran,
daß er zu diesem Zeitpunkt an dem internationalen Rechtsphilosophentag
in Island teilnimmt. Ich glaube aber, daß sich diese aus organisatorischen
Gründen erzwungene Umdisponierung durchaus bewährt hat. Wir haben heute
schon einen kleinen Vorgriff auf das vorgenommen, was uns das nächste Mal
erwartet, und es schloß sich zeitlich genau an das an, was ich vorgetragen
hatte; das war gewissermaßen die zweite Phase der Rechtsauffassung in der
DDR.

Meine Damen und Herren, das war nun die erste Anhörung, abgesehen von der
Leipziger, die die Berichterstattergruppe III Ihnen präsentiert hat. Wir hoffen,