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Wahlperiode 12, Band V/1, Seiten 144 und 145
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Protokoll der 47. Sitzung

der eigenen Bevölkerung und der Welt ihre jeweilige, mit den Pakten im
Widerspruch stehende Handlungsweise erklären.

Für die Leute, die lange Jahre um die Änderung der politischen Verhältnisse
bemüht gewesen waren und mit der politischen Macht keine gemeinsame
Sprache gefunden hatten, war jetzt auf einmal eine Kommunikationsbasis
entstanden. Auf dieser Basis konnten sich alle um den Dialog über die
Menschenrechte bemühen und ihn auch von der Staatsmacht fordern, weil
eben auch diese sich offiziell zu denselben Ideen bekannte.

Ich setze voraus, meine Damen und Herren, daß das Bestreben, die jüngste
deutsche Geschichte zu erkennen, zweifellos das Leitmotiv Ihrer lieben
Einladung an mich für diese Anhörung war. Es geht Ihnen aber sicher auch
darum, unsere jüngste gemeinsame Geschichte in Mitteleuropa aufzuarbeiten.
Deswegen habe ich Ihnen eine Dokumentation über die Zusammenarbeit
der Charta 77 und anderer Bürgerinitiativen mit ähnlichen Gruppen in den
Nachbarländern einschließlich der damaligen DDR mitgebracht.

Es ist in einem bestimmten Sinn eine vollständige Dokumentation und
meiner Meinung nach bisher ziemlich einmalig. Ich bin zwölf Jahrgänge
der Zeitschrift „Informationen über die Charta 77“, „Infoch“, durchgegangen.
Die Zeitschrift ist von Januar 1978 bis November 1989 herausgekommen;
einmal alle drei bis vier Wochen, in den letzten zwei Jahren schon alle 14
Tage. „Infoch“, wie wir sie genannt haben, hat alle Dokumente der Charta 77
und alle Kommuniqués des Ausschusses für die Verteidigung der zu Unrecht
Verfolgten, „VONS“, den die Chartisten im Jahre 1978 gegründet hatten,
veröffentlicht. In „Infoch“ wurden auch die verschiedenen Petitionen, Artikel,
Interviews, Feuilletons und kurze Nachrichten über die Tätigkeit der Charta
und der anderen, immer zahlreicher werdenden Initiativen publiziert.

Ich habe alle Texte, die die Zusammenarbeit der Charta mit den demokrati-
schen Bewegungen anderer osteuropäischer Staaten betreffen, gesammelt. Es
sind einige hundert Seiten. Die häufigsten Kontakte haben wir mit polnischen
Freunden gehabt. Eine wichtige Rolle dabei spielte die kulturelle und sprach-
liche Nähe zu Polen. Dann folgten die Kontakte mit Demokraten aus der DDR
und Ungarn.

Erst am Ende des Jahres 1988 haben wir es geschafft, direkte Kontakte mit
einigen sowjetischen Menschenrechtlern anzuknüpfen. Mit der bulgarischen
und rumänischen Opposition haben wir leider keine Kontakte gehabt.

Die Anfänge in den 70er Jahren waren sehr bescheiden. Vom ersten Brief-
wechsel über die ersten Zusammentreffen mit Freunden aus Berlin, Leipzig,
Dresden und Jena, die zu uns nach Prag kamen, ist es uns schließlich gelungen,
größere gemeinsame Aktionen zu koordinieren. Zum Beispiel konnten wir
im Februar 1988 eine Solidaritätserklärung für Bärbel Bohley, Lotte und
Wolfgang Templin, Ralf Hirsch und Werner Fischer organisieren.

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Internationale Rahmenbedingungen (CSSR 1968, Polen 1980/81)

Wir haben damals – unter den Bedingungen des Totalitarismus – zusammen
mit Warschauer und Budapester Freunden im Laufe einer Woche 84 Unter-
schriften aus Polen, 78 aus Ungarn, 75 aus Jugoslawien, 4 aus der Sowjetunion
und 17 von Vertretern von neuen unabhängigen tschechoslowakischen Grup-
pen unter die Solidaritätserklärung gesammelt.

Meine Aussage werde ich mit einem kurzen Resümee über die Kon-
takte zwischen den tschechoslowakischen Menschenrechtlern und den DDR-
Menschenrechtlern und Friedensaktivisten schließen. In erster Linie haben wir
uns bemüht, über die unabhängige demokratische Bewegung und über die
politische Unterdrückung zu informieren. Von den in „Infoch“ veröffentlichten
Texten der Periode von 1978 bis 1989 bringt solche Auskünfte ungefähr die
eine Hälfte der Texte, die zweite Hälfte informiert über Solidaritätsaktionen.
Fünf Materialien davon referieren über die Petitionen, an denen außer den
tschechoslowakischen Aktivisten und DDR-Aktivisten auch Gruppen von
anderen ost- bzw. westeuropäischen Ländern teilgenommen haben.

Das erste von 39 Dokumenten zur politischen Opposition in der DDR,
deren Kopien ich Ihnen zusammen mit den anderen Texten vorlege, ist der
Protest des Ausschusses für die Verteidigung der zu Unrecht Verfolgten gegen
das Urteil im Fall Rudolf Bahro. Die vorgelegte Sammlung endet mit der
Solidaritätserklärung der Charta 77 und des „VONS“ mit den im Oktober
1989 in Leipzig inhaftierten demokratischen Aktivisten. (Beifall)

Gesprächsleiter Prof. Gert Weisskirchen (SPD): Herzlichen Dank. – Anna
Sabatova war selber eine Zeitlang Sprecherin der Charta 77. Es ist toll, daß sie
uns Materialien überläßt. Wir können das gut gebrauchen. Wir brauchen dann
allerdings auch eine gute und sorgfältige Übersetzung der Texte.

(Anna Sabatova übergibt die Dokumente dem Vorsitzenden Rainer Eppel-
mann – Beifall)

Es schließt sich fast zwangsläufig dann auch die Frage an, wie die innere
Kooperation innerhalb der damaligen sozialistischen Staaten – man zögert
fast, diese Worte zu benutzen, aber sie hießen nun einmal so – aussah, was sie
voneinander gelernt haben und wie sie aufeinander verwiesen haben. Nicht
zuletzt das Jahr 1989 – darauf hat ja auch Timothy Garton Ash noch einmal
in aller Deutlichkeit hingewiesen – hat ja etwas zu tun mit der Entwicklung
der inneren Opposition und den Dissidenten in den unterschiedlichen Staaten
Ost- und Mitteleuropas. Gerd Poppe, gewiß einer der wichtigsten Vertreter der
Oppositionsbewegung in der damaligen DDR, hat das Wort.

Gerd Poppe, MdB: Ich möchte das, was bisher Zdenek Mlynar und Anna
Sabatova aus ihrer tschechischen Sicht geschildert haben, ein wenig aus der
Sicht der damaligen DDR-Opposition beschreiben. Robert Havemann schrieb
in der Zeitung „Die Zeit“ am 31. Mai 1968 zum Prager Frühling: Er wäre
„ein Versuch, den Teufelskreis des Stalinismus zu durchbrechen. Ein Versuch,
Demokratie und Sozialismus in Übereinstimmung zu bringen.“ Havemann