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Wahlperiode 12, Band VI/1, Seiten 90 und 91
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Protokoll der 56. Sitzung

Platz erhielt hierbei das grundlegende Recht auf Leben, sodann wurden die
Grundrechte auf nationale Selbstbestimmung und reale Demokratie genannt,
dem folgten die Rechte auf abweichende Meinungsäußerung und auf Unver-
sehrtheit der Person. Erst an letzter Stelle rangiert die Religionsfreiheit, die
im ÖRK von 1945 bis 1970, also vor dem Amtsantritt von Niilus, als das
wichtigste Menschenrecht behandelt worden war. Dies zeigt, wie sehr sich der
ÖRK durch die Mitarbeit der DDR-Kirchen und die Aufnahme der Russisch-
Orthodoxen Kirche verändert hat. Die kirchliche Unterstützung bestimmter
außenpolitischer Ziele macht neues Nachdenken über das Verhältnis von
Staat und Kirche nötig. An der Menschenrechtsdiskussion wird das Dilemma
deutlich, das sich für die Kirche zwischen Verweigerung und Identitätsverlust,
Anpassung und Widerstand, Glaubwürdigkeit und Ausschaltung auftut. Ich
danke Ihnen. (Beifall)

Gesprächsleiter Markus Meckel (SPD): Ich danke Ihnen für Ihre Ausfüh-
rungen, und wir kommen nun zur Diskussion und zum Gespräch darüber mit
der Möglichkeit, zu kommentieren und Fragen zu stellen. Frau Dr. Wilms.

Abg. Frau Dr. Wilms (CDU/CSU): Ich richte mich an beide Referenten mit
der Frage: Die Ökologie hat in Genf immer eine große Rolle gespielt. Das
haben Sie betont. Man hat immer verwiesen auf die ökologischen Schäden
überall in der Welt. Warum hat man nicht verwiesen auf die ökologischen
Schäden in Mittelost- und Osteuropa, Sowjetunion und alles, was dazugehört?
Ist dieses Thema ausgeklammert, oder ist es bewußt vermieden worden?
Können Sie dazu ein paar Anmerkungen machen?

Zweitens: Wir haben gehört, daß es ein Rassismusprogramm, Kampf gegen
Neokolonialismus, gab. Man meinte damit wieder die USA oder die westliche
Hemisphäre. Hat man nicht darüber diskutiert, daß die Sowjetunion die Länder
in Asien, alle sie umgebenden Länder, die heute wieder selbständig sind,
ebenfalls kolonialisiert hat? Ist das je thematisiert worden, oder hat das
überhaupt keine Rolle gespielt, hat man das überhaupt nicht gesehen?

Dritte Frage: Wir haben schon verschiedentlich gehört, es ist auch allgemein
bekannt, daß die evangelische Kirche der DDR finanziell sehr stark abhängig
war von der EKD und auch von Mitteln der Bundesregierung. Ist es bei der
Ökumene bekanntgewesen, daß das Leben der Kirchen in der DDR sehr stark
durch die Bundesrepublik finanziert war?

Eine vierte Anmerkung: Ich fand das letzte, was Frau Schmoll zu Korb III der
KSZE und zu dem Begriff Menschenrechte gesagt hat, mit das Interessanteste.
Sie hat deutlich gemacht, daß sich offensichtlich die Begrifflichkeit zwischen
West und Ost auseinanderentwickelt hat. Ich vermute fast, daß ein Teil
des Nichtverstehens zwischen den Kirchen in der Bundesrepublik und der
damaligen DDR oder – sagen wir es allgemeiner – zwischen Menschen
in der alten Bundesrepublik und der DDR bis in die heutigen Tage hinein
darauf beruht, daß wir zwar dasselbe Wort für einiges benutzen, aber den

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Haltung der evang. Kirchen zum SED-Staat

Worten verschiedene Inhalte geben. Der Menschenrechtsbegriff ist einer dieser
Begriffe, der – so habe ich den Verdacht – unterschiedlich unterfüttert wird:
Hier – und so war es ja auch bei der KSZE gemeint – der individuelle
und durchaus christliche Menschenrechtsbegriff und auf der anderen Seite
zunehmend ein mehr kollektivistischer, der von der Personenwürde des
Menschen nicht mehr gedeckt oder nur noch teilgedeckt wird, jedenfalls nach
meinem Verständnis von Menschenwürde. Ich würde dazu gern hören, ob
meine Vermutung richtig ist.

Gesprächsleiter Markus Meckel (SPD): Ich habe als nächste Frager Herrn
Weisskirchen, Herrn Hilsberg, mich selbst und Herrn Hansen, dann Herrn
Faulenbach. Der nächste ist also Herr Weisskirchen.

Abg. Prof. Weisskirchen (SPD): Frau Schmoll und Herr Planer-Friedrich,
mich interessiert eine ähnliche Frage, wie sie Frau Wilms gestellt hat, ob Sie
meinen Eindruck bestätigen können, daß die Menschenrechtsfrage natürlich
eine Angelegenheit ist, die in sich selbst Spannungsverhältnisse hat. Wenn
ich mir die UNO-Charta anschaue, dann ist dieses innere Spannungsverhältnis
angelegt zwischen den an die Personen gebundenen Menschenrechten und
zugleich auch darin, daß diese an die Personen gebundenen Menschenrechte
in sozialen, gesellschaftlichen Bedingungen durchgesetzt werden sollen. Da
gibt es ein inneres Spannungsverhältnis, das zum Beispiel bei der Menschen-
rechtskonferenz in Wien dazu geführt hat, daß Vertreter der dritten Welt dieses
Spannungsverhältnis versuchen aufzulösen, indem sie eher die kollektiven
Begründungszusammenhänge sehen und sie weniger auf die individuellen
Ansprüche zuspitzen. Inwiefern hat dieses innere Spannungsverhältnis mit
dazu beigetragen, daß es immer um das changierende Problem – Sie brachten
es im Schlußsatz ihrer Rede auf die Zuspitzung, Frau Schmoll – auf der
einen Seite Anpassung und auf der anderen Seite Widerstand ging. Inwiefern
wurde dieses innerhalb der Ökumenischen Versammlung reflektiert? Wenn
ich einmal ein Detail nennen darf, würde mich, Herr Planer-Friedrich, falls
Sie zu diesem Zeitpunkt in Berlin waren, folgendes interessieren: 1988 gab
es beispielsweise in Westberlin eine Veranstaltung, die das Thema „Dritte
Welt“ behandelt hat. Das Lelio-Basso-Tribunal hat die Industrieländer verklagt
und versucht, darüber Urteile zu fällen, inwiefern die Industrieländer die
Dritte Welt in die Schuldenfalle geführt hätten. Das wurde im damaligen
Ost-Berlin in einer Reihe von Kirchenveranstaltungen reflektiert. Dies wurde
im Zusammenhang mit der ökumenischen Versammlung debattiert, so daß eine
Verknüpfung stattfand zwischen dem konziliaren Prozeß, dann dem, was in
den Kirchengemeinden an der Basis geschehen war und zugleich mit einem
Ereignis, das in West-Berlin stattfand. Mir schien, daß dieses Modell des
ineinander vernetzten Denkens und Handelns ein ganz typisches Modell für
den konziliaren Prozeß gewesen ist. Ich erinnere zum zweiten daran, daß der
IKV – der Interkirchliche Friedensrat in Holland – einen ganz wesentlichen