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Wahlperiode 12, Band VI/1, Seiten 120 und 121
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Protokoll der 56. Sitzung

er Ende 1958 gegen den Willen des Landesbischofs den Synodalbeschluß zur
„praktischen Vereinbarkeit von Jugendweihe und Konfirmation“ herbei, womit
die bis dahin geschlossene Ablehnungsfront durchbrochen war. Hierfür gab es
sicherlich gute Gründe, da die Gemeinden dem staatlichen Druck in der Regel
nicht standhielten. Es läßt sich an diesem Beispiel aber auch die gezielte
Einflußnahme des MfS nachweisen. Der Weimarer Arbeitskreis wurde mit
inoffiziellen Mitarbeitern durchsetzt. Im Führungsgremium hatte das MfS
mit Lotz, Braecklein – IM Ingo –, der seit 1956 als Kontaktperson geführt
und 1959 angeworben worden war, und Grundmann – IM Berg – ohnehin
die Mehrheit. Dabei sollte es auch künftig bleiben. Im Mittelpunkt aller
Bemühungen stand die kirchliche Personalpolitik, auf die das MfS in enger
Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen einzuwirken versuchte. Häufig mit
Erfolg, wie eine von Pfarrer Walter Schilling herausgegebene Dokumentation
eindrücklich aufweist. Das mit den Jahren immer dichter werdende IM-Netz,
das eine beachtliche Anzahl von Oberkirchenräten, Superintendenten und
Kirchenjuristen umfaßte, erlaubte eine wirksame Einflußnahme auf inner-
kirchliche Entwicklungen und Entscheidungen. Den wohl größten Triumph
der Staatssicherheit stellte in dieser Hinsicht die Wahl Braeckleins zum
Landesbischof 1970 dar, den Lotz schon 1959 dem MfS als potentiellen
Bischofsnachfolger empfohlen hatte. Als Braecklein acht Jahre später aus
Altersgründen in den Ruhestand trat, versuchten SED und MfS, Oberkirchenrat
Walter Saft – IM Salzmann – als Nachfolger aufzubauen. Seine Nominierung
wird im Landeskirchenrat von Braecklein sowie von vier Oberkirchenräten,
die ebenfalls als IM geführt wurden, unterstützt. Die Synode wählte jedoch
nach langem Ringen den als reaktionär geltenden Kandidaten Werner Leich.

Bei allen Erfolgen, die das MfS bei der Infiltration der Thüringischen Landes-
kirche erzielte – eine völlige Kontrolle der innerkirchlichen Entwicklung blieb
der Staatssicherheit versagt. Die plurale Verfassung der evangelischen Kirche
und vor allem das an demokratischen Spielregeln ausgerichtete Synodalprinzip
stellten für die Außensteuerung eine nur schwer zu überwindende Barriere dar.
Das MfS war omnipräsent, aber bei weitem nicht allmächtig. Ich danke für
Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall)

Gesprächsleiter Karl Wilhelm Fricke: Auch Ihnen, Herr Vollnhals, vielen
Dank für Ihre Ausführungen. Vor allem danke ich Ihnen, daß Sie sich an
die Zeit gehalten haben. Ich glaube, es war sehr sinnvoll, daß Sie mit Ihrer
Fallstudie am konkreten Beispiel dargetan haben, was der Herr Neubert
generell ausgeführt hat. Ein Blick auf die Uhr zeigt, daß wir für die Diskussion
knapp 40 Minuten Zeit haben. Ich erlaube mir die Bitte an die Fragesteller,
sich auf Fragestellungen zu beschränken, (Beifall) damit die Referenten noch
eine Chance haben, auf die an sie gerichteten Fragen zu antworten. Ich eröffne
meine Fragenliste. Die erste Wortmeldung liegt mir von Herrn Dehnel vor.

Abg. Dehnel (CDU/CSU): Aus den vorangegangenen Ausführungen wie auch

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Haltung der evang. Kirchen zum SED-Staat

aus vorangegangenen Anhörungen früherer Stasitätigkeiten ist uns aufgefallen,
daß die Stasi spinnennetzartig auf allen Gebieten gesellschaftlichen Lebens
gearbeitet hat. Für mich ergibt sich hier die Frage: Inwieweit ist dieses
Spinnennetz auch in die Kirchen Westdeutschlands getragen worden? Denn
wir hatten und haben heute noch hervorragende Partnerschaften mit Kirchen in
Ostdeutschland. Die Partnerschaften mit Kirchen waren ja mit Leben gefüllt,
es kam dann zu personellem Austausch, so daß die uns besucht haben und wir
sie, sofern das möglich war; am Anfang waren es nur Rentner, später auch
kirchliche Mitarbeiter. Inwieweit wurde das vom MfS genutzt, und inwieweit
gab es auch die konspirativen Tätigkeiten in der westdeutschen Kirche? Das
ist noch nie betrachtet worden. Ich kenne da noch keine Ausführungen.

Gesprächsleiter Karl Wilhelm Fricke: Vielen Dank, Herr Dehnel. Als
nächster hat Rainer Eppelmann das Wort.

Abg. Eppelmann (CDU/CSU): Ich habe mehrere Fragen an Ehrhart Neu-
bert.

  1. Vielleicht kannst du uns sagen, wie viele IM es in etwa nach heutigem
    Erkenntnisstand innerhalb der evangelischen Kirche gegeben hat. Wir
    wissen, daß es in etwa 110.000 IM in der ganzen DDR gegeben hat, also im
    Verhältnis zu 12,9 Mill. Erwachsenen hat es 110.000 IM gegeben. Wie viele
    davon waren im Raum der evangelischen Kirche, zu der schätzungsweise
    5 Mill. gehörten?
  2. Welchen Einfluß hat die Staatssicherheit auf Wünsche und Erwartungen
    nehmen können, die ihnen von kirchenleitenden Personen entgegengebracht
    worden sind? Ich habe das Argument immer wieder gehört: „Ich mußte mit
    der Staatssicherheit reden, um etwas verändern zu können.“
  3. Was war eigentlich der Unterschied zwischen einem IM, der sich schriftlich
    dazu bereiterklärt hat, konspirativ zu arbeiten und einem solchen, bei dem
    diese schriftliche Bereitschaftserklärung fehlte?
  4. Wie viele schriftliche Beauftragungen kennst du von Leuten, kirchlichen
    Mitarbeitern, die im Auftrag der evangelischen Kirche mit der Staatssi-
    cherheit konspirativ verhandeln sollten?
  5. Was sagst du zu der These – ich knüpfe an das an, was Herr Fricke
    zur Einleitung gesagt hat –, daß der größte Irrtum, möglicherweise auch
    das größte Versagen kirchenleitender Personen darin bestand, daß sie
    annahmen, mit dem Gespräch vom 6. März werde aus einer Feindschaft,
    aus einer Gegnerschaft, so wie es Walter Ulbricht verstanden hat, eine
    Partnerschaft?

Gesprächsleiter Karl Wilhelm Fricke: Vielen Dank, Rainer Eppelmann.
Martin Gutzeit.

  1. Sv. Martin Gutzeit: Ich habe drei Fragen an Ehrhart Neubert.
    Sie haben die Bedeutung der Konspiration bei der Arbeit mit IM her-