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Wahlperiode 12, Band IX, Seiten 42 und 43
42
Protokoll der 13. Sitzung

damals immer noch nicht strafbar. Die Nichtigkeit der betreffenden Vorschrift
führt nicht zur Strafbarkeit nach DDR-Recht 1987.

Im Interesse einer aufrichtigen Diskussion sollten wir uns darüber einigen,
daß alle diese trickreichen Ansätze an dem Problem vorbeiführen, daß wir –
das gebe ich gern zu – ein zweites Mal in unserer Geschichte auf dem
Wege sind, durch die Gerichte die Verfassung mit dem Rückwirkungsverbot
unterwandern zu lassen.

Aus einigen Reaktionen eben habe ich mitbekommen, daß man das für
erträglicher hält, als die Verfassung offen zu ändern. Das kann ich in meinem
Bestreben nach Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit nicht ganz nachvollziehen.
(Beifall)

Wir haben etwas Entsprechendes in der jüngsten tagespolitischen Diskussion
gehabt, und zwar – Herr Schaefgen hat es angesprochen – im Zusammenhang
mit der Verjährung. Da geht ein maßgeblicher Justizpolitiker hin und sagt,
der Gesetzgeber könne das mit der Verjährung nicht machen, aber die Richter
könnten das. Ich bin von einem mit mir befreundeten Bundesrichter darauf
angesprochen worden, der von mir hören wollte, wie ich das fände. Ich
habe dazu geschwiegen. Daraufhin hat er sich zu dem Wort „befremdlich“
verstiegen. – Das ist doch jedenfalls nicht etwas, was man – wie soll ich
sagen? – unter den Kategorien eines aufrichtigen Gesprächs wirklich ernsthaft
machen kann.

Um mehr als das geht es mir nicht. Wir stehen vor einem Rückwirkungspro-
blem. Wir haben auch nach 1945 vor einem Rückwirkungsproblem gestanden.
Das ist seinerzeit im Kontrollratsgesetz Nr. 10 von den Alliierten auch klar
geregelt worden. Die haben geschrieben: Das damalige Recht ist ungültig;
wir erklären jetzt die Verbrechen gegen die Menschlichkeit für strafbar. – Da
konnte ein Gericht – es war damals der Oberste Gerichtshof für die britische
Zone – dann, als sich jemand auf den Grundsatz „nulla poena sine lege“ – keine
Strafe ohne Gesetz – berief, auch guten Gewissens sagen: Aber in unserem
Gesetz steht es anders.

Gesprächsleiter Prof. Dr. Friedrich-Christian Schroeder: Meine Damen
und Herren, ehe ich den Mitgliedern der Enquete-Kommission des Bundestags
die Gelegenheit gebe, an die Vertreter auf dem Podium Fragen zu richten,
möchte ich Herrn Wassermann die Möglichkeit zu einem kurzen Schlußwort
in dieser Diskussionsrunde geben. Bitte.

Dr.h.c. Rudolf Wassermann: Mich erinnert die Diskussion gerade in dem,
was Herr Dencker mit schwerem Ernst vorgetragen hat, an die Verjährungs-
debatten im Deutschen Bundestag. Auch damals war es so, daß rechtsstaatlich
immer wieder Bedenken gegen die Verjährungsabschaffung vorgetragen wur-
den. Man sagte, daß das doch nicht geht, und dann haben sich doch andere
Gesichtspunkte durchgesetzt.

43
Regierungskriminalität und justitielle Aufarbeitung

Hier ist es auch so, daß man diese Parallele ziehen kann. Es ist für den
Bundestag wichtig, glaube ich, daran zu denken.

Rechtsphilosophisch, Herr Dencker, haben Sie noch gefragt: Was ist eigentlich
Recht? Was ist Gesetz? – Da gilt, wenn ich Sie richtig verstanden habe,
nicht der Buchstabe des Gesetzes, da gilt nicht der Wortlaut, sondern da gilt
eine von der SED gewollte, durch die Beschlüsse gewünschte oder von den
Richtern sogar im vorauseilenden Gehorsam vorgenommene Auslegung, die
dann vielleicht Rechtspraxis war.

Für die NS-Zeit war es ja auch so, daß wir sagten: Nein, nein, wir beurteilen
dein Verhalten nach dem Gesetz, und wenn du eine Auslegung getroffen hast,
von der du annehmen konntest, sie entspreche dem Willen der Partei, oder
wenn du einem Hitlerbefehl gefolgt bist, dann ist das für uns nicht Recht.

Wir stehen hier also vor dem weiteren Problem: Was ist eigentlich Recht und
Gesetz? – Ich habe den Eindruck – das halte ich auch für gut –, daß die Richter
als DDR-Recht nicht das von der Partei gelenkte Wollen ansehen, dem Richter
gefolgt sind, sondern die Gesetze, wie sie beschlossen worden sind und nicht
etwa auf den Kopf gestellt worden sind. Auch das ist ein rechtsphilosophisches
Problem, das auf uns zukommt und von dem ich meine, daß die Praxis, die
bundesdeutsche Praxis, das richtig lösen wird. Sie wird nicht sagen: Was die
da gemacht haben, um der SED zu gefallen, war Recht; diese Auslegung
gilt.

Gesprächsleiter Prof. Dr. Friedrich-Christian Schroeder: Herr Schroth, Sie
haben gebeten, noch einen Satz sagen zu dürfen. Bitte.

Prof. Dr. Ulrich Schroth: Wirklich nur einen Satz. – Mir geht es auch darum,
daß man einmal sieht, daß dem Ganzen auch etliche Fehler des Bundestages
vorausgegangen sind. Der eigentliche Fehler des Bundestages war der, daß er
das Tatortrecht im Rahmen des § 7 StGB eingeführt hat. Gäbe es nämlich
das Tatortrecht nicht im Hinblick auf den § 7 StGB, dann hätten wir alle die
Probleme, die wir derzeit haben, nicht.

Nachdem auch an die professorale Seite viele Vorwürfe gemacht worden sind,
kann man auch diesen Aspekt, was nämlich vom Bundestag bisher oder damals
versäumt worden ist, einmal vortragen.

Gesprächsleiter Prof. Dr. Friedrich-Christian Schroeder: Sie beherrschen
die Kunst, in einem Satz zehn Sätze zu verstecken, gut.

Die Mitglieder der Enquete-Kommission fiebern schon darauf, glaube ich,
Fragen an die Vertreter auf dem Podium zu stellen. Frau Abgeordnete Dr.
Wilms, Sie hatten sich zuerst gemeldet. Bitte.

Abg. Frau Dr. Wilms (CDU/CSU): Herr Professor Dencker, wenn ich
Ihrem sehr rigiden rechtspositivistischen Denken folge – ich bemühe mich,
das zu tun; ich bin kein Jurist –, komme ich zu dem Schluß: Dann wäre
eine Aufarbeitung der NS-Zeit, eine juristische Aufarbeitung der NS-Zeit,

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