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Wahlperiode 13, Band I, Seiten 170 und 171
170
Enquete-Kommission
 Stellungnahme der Mitglieder der Fraktionen der SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Sachverständigen Burrichter,
Faulenbach, Gutzeit, Kowalczuk und Weber zu dem vorstehenden
Sondervotum
3.4Zusammenfassung und Resümee
3.4.1Allgemeines
3.4.2Folgerungen
3.4.3Handlungsempfehlungen
4.Zusammenfassende Bewertung des Prozesses der justitiellen Aufar-
beitung

Die Enquete-Kommission hat die heutige Situation von Opfern der SED-Dik-
tatur, den Elitenwechsel und die Übernahme von Personal in den öffentlichen
Dienst in den neuen Ländern sowie die justitielle Aufarbeitung unter dem Ge-
sichtspunkt der strukturellen Leistungsfähigkeit einer rechtsstaatlichen Ord-
nung bei der Aufarbeitung der SED-Diktatur betrachtet und geprüft, ob und
inwiefern es heute noch einen politischen Handlungsbedarf in der Frage gibt,
wie mit den Verantwortlichen des Systems der SED-Diktatur und ihren Hel-
fern umgegangen werden soll.

Die Enquete-Kommission hat sich mit dem Schicksal politisch Verfolgter in
der DDR beschäftigt und den Stand der Rehabilitierung von Opfern der SED-
Diktatur im achten Jahr der deutschen Einheit erörtert.

Gegenstand der Arbeit der Enquete-Kommission war der Elitenwechsel im öf-
fentlichen Dienst in den neuen Ländern. Sie hat die Wirksamkeit der eini-
gungsvertraglichen Vorgaben zur Übernahme von Personal in den öffentlichen
Dienst, die Einführung des Beamtenrechts in den neuen Ländern sowie den
Verbleib der ehemaligen Nomenklaturkader untersucht.

Die strukturelle Leistungsfähigkeit des Rechtsstaates bei der Überwindung der
Folgen der SED-Diktatur stand im Mittelpunkt der Betrachtungen zur justiti-
ellen Aufarbeitung. Deshalb hat die Enquete-Kommission sowohl den bereits
durch die demokratisch gewählte Volkskammer der DDR eingeleiteten Aufar-
beitungsprozeß als auch die Arbeit des bundesdeutschen Gesetzgebers sowie
die Rolle der Justiz, denen die Erwartungshaltungen der Bevölkerung gegen-
über standen, in ihre Untersuchungen einbezogen und ist der Frage nachge-
gangen, in welchem Maß Rechtsfrieden hergestellt werden konnte.

 

1. Situation der Opfer der SED-Diktatur und ihre Rehabilitierung

1.1 Situation der Opfer der SED-Diktatur

1.1.1 Vorbemerkung

Die Folgen von 44 Jahren politischer Repression in der ehemaligen SBZ und
DDR sind für deren Opfer auch fast neun Jahre nach dem Zusammenbruch des

171
Schlußbericht

SED-Regimes noch spürbar. Der Deutsche Bundestag hat in seinem Beschluß
über die Einsetzung dieser Enquete-Kommission festgestellt, daß „die perso-
nelle Würde der von Unrecht und Leid Betroffenen (...) wiederhergestellt wer-
den (muß). Dazu gehört sowohl die öffentliche Würdigung der Opfer wie die
Notwendigkeit, ihnen, wo irgend möglich, nachträglich Gerechtigkeit wider-
fahren zu lassen“.

Die Enquete-Kommission hatte den Auftrag „zu prüfen, inwiefern heute in
diesen Fragen aus der Sicht der Opfer Defizite bestehen, und wie dem durch
die Gesetzgebung abgeholfen werden kann“. Die Enquete-Kommission hat
Untersuchungen zu dem quantitativen Ausmaß von Inhaftierungen aus politi-
schen Gründen in der DDR, zu Haftbedingungen und Haftfolgeschäden sowie
zur Praxis der Todesstrafe in der DDR angestellt. Sie hat sich mit der Funkti-
onsweise des Repressionsapparates der SED-Diktatur beschäftigt und ist der
Frage nachgegangen, inwieweit repressives Handeln von Staatsorganen heute
mit rechtlichen Mitteln sanktioniert werden kann. Schließlich hat die Enquete-
Kommission eine Bilanz der Rehabilitierung von Opfern nach den SED-Un-
rechtsbereinigungsgesetzen aufgestellt und die Situation der Opfer bewertet.

 

1.1.2 Politische Haft in der SBZ und DDR

1.1.2.1 Quantitatives Ausmaß von Inhaftierungen aus politischen Gründen

Das Ausmaß der aus politischen Gründen erfolgten Inhaftierungen von Men-
schen in der DDR ist sowohl für die öffentliche Bewertung von und den Um-
gang mit politischer Repression und Verfolgung als auch zur Verdeutlichung
des Unrechtscharakters des SED-Regimes von erheblicher Bedeutung. Die
DDR hat sich bemüht, das Ausmaß politischer Strafverfahren und die Zahl der
politischen Häftlinge nicht bekannt werden zu lassen, und hat alle diesbezügli-
chen Quellen dem Zugang der Öffentlichkeit entzogen. Der Begriff des „politi-
schen Häftlings“ durfte im offiziellen Sprachgebrauch nicht verwendet wer-
den. Heute sind die wichtigsten Quellen zur Ermittlung der Quantität politi-
scher Verfolgung in der DDR die Kriminalitäts- und die Strafvollzugsstatisti-
ken, die Gefangenenakten sowie die zentrale Häftlingskartei des ehemaligen
Innenministeriums der DDR. Diese Bestände sind der Forschung zugänglich.
Gleichwohl ist die exakte Anzahl der politischen Gefangenen in der DDR bis-
lang noch nicht ermittelt worden. Eine quantitative Analyse steht daher noch
aus und wird Gegenstand zukünftiger empirisch–sozialwissenschaftlicher For-
schungen sein müssen. Der Gesetzgeber hat mit den Bestimmungen der Be-
griffe des „politischen Häftlings“ und der „politischen Straftat“ im Strafrecht-
lichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG vom 29. 10. 1992, BGBl. I S. 1814 in
der seit 5. 7. 1997 geltenden Fassung vom 1. 7. 1997, BGBl. I S. 1613) eine
wichtige Vorarbeit geleistet. Die DDR-Geschichte läßt sich zudem in zeitliche
Phasen unterteilen, in denen in unterschiedlichem Maße politische Inhaftierun-
gen zur Durchsetzung und Sicherung der SED-Herrschaft vorgenommen wur-
den. Innerhalb dieser Phasen sind freilich durch tagespolitische Einflüsse er-