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haftierten aus der DDR hängt von der Belastung durch die traumatischen Er-
fahrungen ab. Auch wenn die posttraumatische Belastungsstörung nicht die
häufigste psychische Störung infolge politischer Inhaftierung in der DDR dar-
stellt, so kommen doch einige ihrer Symptome bei den meisten Betroffenen in
mehr oder minder ausgeprägter Form vor. Andere typische Folgeerkrankungen
sind insbesondere depressive und andere Angsterscheinungen sowie psychi-
sche Störungen, die durch körperliche Beschwerden charakterisiert sind, ohne
daß es dafür eine organische Ursache gibt. Diese Folgestörungen treten nicht
immer unmittelbar in der politischen Verfolgungssituation auf, sondern stellen
sich mitunter erst nach beschwerdefreien Monaten oder Jahren ein. Sogenannte
Brückensymptome müssen in der Zwischenzeit nicht zwangsläufig auftreten.
Bei ehemaligen politischen Häftlingen, die über lange Zeit hinweg in der Lage
waren, ihr früheres traumatisches Erleben erfolgreich zu verdrängen bzw. zu
bewältigen, können ein Wegfall bisheriger Kompensationsmöglichkeiten, zu-
sätzliche Belastungen oder eine erneute Konfrontation mit Situationen, die di-
rekt oder indirekt an die frühere Bedrohung erinnern, zum Zusammenbruch der
Bewältigung und zum Auftreten charakteristischer psychischer Krankheits-
symptome, d. h. zu einer Retraumatisierung führen.
In der Regel waren politische Häftlinge in der DDR nicht nur vor und während
ihrer Inhaftierung Repressalien ausgesetzt gewesen, sondern hatten auch nach
einer Haftentlassung in die DDR weitere Schikanen zu erleiden. Das verstärkte
die Krankheitssymptome. Insbesondere die Personengruppe der Ausreisean-
tragsteller war ähnlich den politischen Häftlingen Repressalien ausgesetzt: Be-
obachtung und Kontrolle durch das MfS, Vorladungen, Verhöre, berufliche
Einschränkungen, Berufsverbot, Kündigung, Belastungen der familiären Si-
tuation. Eine Untersuchung zu Ausreiseantragstellern ist zu dem Ergebnis ge-
kommen, daß die bei ihnen diagnostizierten Erkrankungen und die von ihnen
geschilderten Beschwerden dem Bild glichen, das bei ehemaligen politisch In-
haftierten festgestellt worden war, wenngleich die Beschwerden bei den Aus-
reiseantragstellern regelmäßig weniger ausgeprägt waren. Daraus folgt, daß
nicht nur die Inhaftierung, sondern auch andere repressionsbedingte Bela-
stungssituationen, die mit einer Unsicherheit über die Zukunft und mit dem
Gefühl des Ausgeliefertseins verbunden waren, zu andauernden psychischen
Belastungen führen können, und daß Diskriminierungen, denen die meisten
politischen Häftlinge vor der Haft und nach der Haftentlassung in die DDR
ausgesetzt waren, für sich allein ausreichten, um psychische Erkrankungen
hervorzurufen.
Die psychischen Folgeschäden ehemaliger politischer Inhaftierter haben nach
der Haftentlassung zu sozialen Benachteiligungen geführt, die zum Teil bis
heute andauern. Vor allem die krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Ar-
beits- und Kontaktfähigkeit konnte ebenso wie die auch nach der Haftentlas-
sung in die DDR fortdauernden Repressalien zu schwerwiegenden sozialen
Problemen führen. Für viele ehemalige Häftlinge war es schwierig, an die fa-
miliären Bindungen und Freundschaften aus der Vorhaftzeit anzuknüpfen.
Mißtrauen und Rückzug sowie typische Persönlichkeitsveränderungen nach
traumatischen Erlebnissen erschweren den Kontakt mit anderen. Auch die Ar-
beits- und Erwerbsfähigkeit kann erheblich eingeschränkt sein. Gleichsam ei-
nem Kreislauf führt häufig die psychische Folgeerkrankung zu sozialer Isolie-
rung, diese wiederum zu einer Verschlimmerung des Krankheitsbildes. Viele
ehemalige Häftlinge werden durch ihr krankheitsbedingtes Mißtrauen daran
gehindert, den Rat und die Hilfe von Ärzten und Therapeuten zu suchen. Zwar
haben nach bisherigen Erkenntnissen weniger als drei Prozent der Ärzte in der
DDR mit dem MfS zusammengearbeitet. Gleichwohl hat das Wissen der Be-
troffenen um diese Zusammenarbeit ihr Vertrauen in die Ärzte nachhaltig er-
schüttert. Das krankheitsbedingte Bestreben, alle Erinnerungen an das trauma-
tische Erlebnis zu vermeiden, verhindert oftmals neben der Konsultation eines
Therapeuten auch das Stellen von Entschädigungsanträgen. Die in der Haft
erlebte Allmacht der Verfolger und das oft unter Androhung weiterer Repres-
salien auferlegte Schweigegebot, aber auch die Scham führten zu einem
zwanghaften Schweigen der Betroffenen über das Geschehene. Viele ehemali-
gen Häftlinge fürchten noch heute Repressionen ihrer ehemaligen Verfolger.
1.2 Rehabilitierung der Opfer der SED-Diktatur
Bereits die Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen
der SED-Diktatur in Deutschland“ der 12. Wahlperiode des Deutschen Bun-
destages hatte in ihrem Abschlußbericht (Bundestagsdrucksache 12/7820,
S. 229 ff. und S. 232 f.) eine umfängliche Darstellung zu den Opfern der SED-
Diktatur sowie Handlungsempfehlungen erarbeitet. Der Deutsche Bundestag
hat diese Empfehlungen aufgegriffen. Die Enquete-Kommission hat eine Bi-
lanz der Bemühungen des Gesetzgebers um die Wiederherstellung der perso-
nellen Würde der Opfer der SED-Diktatur sowie ihrer praktischen Auswirkun-
gen erstellt und ein Resümee daraus gezogen.
1.2.1 Maßnahmen des Gesetzgebers zur Verbesserung der Situation der
Opfer in der 13. Wahlperiode des Deutschen Bundestages
Der Deutsche Bundestag hat seit Beginn der 13. Wahlperiode im Herbst 1994
erhebliche Anstrengungen unternommen, um die gesetzlichen Voraussetzun-
gen für den Umgang mit den Unterlagen des MfS/AfNS und die Rehabilitie-
rung der Opfer der SED-Diktatur zu verbessern.
1.2.1.1 Der Deutsche Bundestag hat mit den Änderungen des Stasi-Unter-
lagen-Gesetzes (StUG vom 20. 12. 1991, BGBl. I S. 2272) den Umgang mit
den Hinterlassenschaften des MfS/AfNS geregelt. Die Brisanz dieser Unterla-
gen ergibt sich aus der Stellung des MfS als eines der wesentlichen gegen die
Bevölkerung gerichteten Repressionsinstrumente der Staats- und Parteifüh-
rung. Allgegenwärtig sammelte das MfS unzählige Aufzeichnungen über die
von ihm bespitzelten Personen in umfangreichen Aktenbeständen. Nachdem
bereits im Dezember 1991 das StUG die Erfassung, Erschließung und Ver-