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Wahlperiode 13, Band III/1, Seiten 130 und 131
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Protokoll der 29. Sitzung

nung, ohne jedoch von dieser grundsätzlich abzugehen. Man entschloß sich
dazu, nur noch eine ausgewählte Anzahl quantitativer und qualitativer Plan-
auflagen an die Betriebe verbindlich vorzugeben. Diese Planauflagen er-
streckten sich vor allem auf (die) Produktion und (die) Investitionen in den
Wachstumsbranchen Petrochemie, Elektronik, Elektrotechnik, Datenverarbei-
tung usw. Man versuchte, die Tätigkeit der Betriebe vermittels „indirekt“ wir-
kender Instrumente, den sogenannten „ökonomischen Hebeln“, in eine von der
politischen Führung gewünschte Richtung zu lenken. Hierzu gehörten die
„Hebel der wirtschaftlichen Rechnungsführung“ – das waren staatlich festge-
setzte Preise, Steuersätze, Abschreibung, der Gewinn, Normative für die Ge-
winnverwendung usw. – und die „Hebel der persönlichen materiellen Interes-
siertheit“ in Form von Leistungsprämien und dergleichen.

Dem Betriebsgewinn als Maßstab der Betriebsleistung und die Bindung des
Prämiensystems und sonstiger betriebseigener Fonds an dessen Erfüllung fiel
im NÖS eine wichtige Rolle zu. Diese Zentralfunktion konnte der Betriebsge-
winn, trotz zweier in den Jahren 1964 und 1967 durchgeführten Preisreformen,
aber bei im Kern nicht geänderten Methoden zentraler materieller und finan-
zieller Planung sowie administrativer Preisplanung nicht erfüllen. Dies wird
daran deutlich, daß infolge des erweiterten Handlungsspielraums der Betriebe
die von diesen getroffenen Entscheidungen besonders in strukturpolitischer
Hinsicht nicht mit den von der Partei- und Staatsführung gesetzten Zielen
übereinstimmten. Die daraus erwachsenen Disproportionalitäten führten letzt-
endlich zum Abbruch dieses Experiments. Die Rezentralisierung, die mit der
Übernahme von Partei und Staatsführung durch Erich Honecker 1971 einsetz-
te, führte zu einer Rezentralisierung der Anwendung der altbekannten Metho-
den im Kern.

Ein letzter Reformversuch war die Kombinatsreform. Wenn Sie erlauben, Herr
Vorsitzender, noch drei Minuten dazu.

Die sogenannte Kombinatsreform zielte primär darauf ab, die mit dem bis dato
nicht überwundenen Typus extensiven Wirtschaftswachstums verbundenen
Ineffizienzen aller Art, schwergewichtig im industriellen Sektor, zu überwin-
den. Methodisch sollte damit der Wachstumstypus der intensiv erweiterten
Reproduktion durch Bildung der Großwirtschaftseinheiten „Kombinate“ in der
Industrie, dem Bauwesen und der Verkehrswirtschaft sowie durch Übertragung
von Planungs- und Leitungskompetenzen auf diese durchgesetzt werden. Wie-
derum sollte aber damit das Kernstück einer Zentralverwaltungswirtschaft, die
zentrale staatliche Planung und Leitung, nicht außer Kraft gesetzt, sondern de-
ren Effizienz verbessert werden.

Von der Kombinatsreform wurde eine Beschleunigung der innerzweiglichen
Koordinations- und Bilanzierungsprozesse, der Einigungs- und Beschlußfas-
sungsprozeduren sowie von Chancen zur Initiierung innerkombinatlicher
Neuerungsprozesse erwartet.

131
Wirtschaft – Sozialpolitik – Gesellschaft

Auch durch die Kombinatsreform konnten die oben geschilderten systemtypi-
schen Dysfunktionalitäten nicht durchbrochen werden. Durch die mit der
Kombinatsreform den Kombinaten übertragenen erweiterten Planungs- und
Bilanzierungskompetenzen wurden im Gegensatz zu den erhofften Effekten
die Tendenzen zu kombinatsautarkem Verhalten noch verstärkt. Die Folge da-
von war, daß z. B. die sogenannte Fertigungstiefe, ein anderer Begriff für Un-
terspezialisierung, eher noch zunahm, die exzessive Nachfrage nach Produkti-
onsfaktoren einschl. Investitionsmitteln und Arbeitskräften sich nicht zurück-
bildete. Technischer Fortschritt konnte unter den weiterhin obwaltenden
grundsätzlichen Ordnungsbedingungen der Zentralverwaltungswirtschaft,
wenn überhaupt, nur in bescheidenem Maße durchgesetzt werden. Die erhoff-
ten gesamtwirtschaftlich positiven Effekte, ablesbar an Material- und Energie-
einsparungen sowie einer wesentlichen Steigerung der Arbeitsproduktivität,
ließen sich durch diesen Reformversuch ebenfalls nicht realisieren. Letztlich
ist auch die Kombinatsreform an den inneren Widersprüchen des Systems der
Zentralverwaltungswirtschaft gescheitert.

Welche Folgerungen wären für die Politik, ich meine innerhalb der DDR, dar-
aus zu ziehen gewesen? Man hätte das System in einer Weise systemüberwin-
dender Formen ändern müssen, was aber letztendlich bedeutet hätte, ein
marktwirtschaftliches System mit allen Konsequenzen zu implementieren,
denn die Politik der Zentralverwaltungswirtschaft hatte sich sozusagen, ich
will es etwas kraß formulieren, ad absurdum geführt. Schönen Dank.

Gesprächsleiter Abg. Jörg-Otto Spiller (SPD): Vielen Dank, Herr Dr. Klein.
Wir treten jetzt nicht in die Diskussion ein, sondern ich möchte Herrn Profes-
sor Schmidt bitten, seinen Vortrag zum selben Thema zu halten.

Prof. Dr. Reinhard Schmidt: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter
Herr Präsident des Sächsischen Landtages, sehr geehrte Damen und Herren,
die kritische Analyse der DDR-Zentralwirtschaft bedingt die Auseinanderset-
zung mit dem Marxismus-Leninismus. Ich habe mich bereits gewundert, daß
jetzt hier über eine Stunde lang dieser Ahnenherr dieses untergegangenen
Kommunismus nicht erwähnt wurde. Die Geschichte kennt viele Diktaturen.
Es werden noch einige entstehen und einige untergehen. Die untergegangenen
Diktaturen des Ostblockes waren aber letztendlich auf den Fundamenten mar-
xistischer Theorien gegründet. Das ist ein wesentlicher Unterschied. So hatte
z. B. Hitlers Drittes Reich einen anderen Umgang mit den Produktionsmitteln
als die in jüngster Zeit untergegangenen linken Diktaturen. Das muß man allen
Totalitarismusforschern sagen, die Politik und Wirtschaft getrennt betrachten.
Als ich 1991, von Naivität getragen, an die größeren Verlage der Bundesrepu-
blik herangegangen bin, ein Buch zu der Marxismusauseinandersetzung zu
veröffentlichen, hatte ich keinen Erfolg. Ich gebe hier auszugsweise einen
Brief von Herrn Ulrich Frank-Planitz von der Deutschen Verlagsanstalt wie-
der: „Ich fürchte, daß das Interesse an einem solchen Projekt im Augenblick
nicht sonderlich groß ist, auch nicht bei den jungen Leuten. Zudem nehme ich
an, daß es bei der politischen Auseinandersetzung mit der DDR-Nostalgie gar