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Wahlperiode 13, Band III/1, Seiten 210 und 211
210
Protokoll der 29. Sitzung

„Des Pudels Kern allerdings besteht aus ganzen vier Zeilen. „Das volkseigene
Vermögen“, heißt es in Artikel 26, Abs. 4, Satz 2 lapidar, „ist vorrangig für die
Strukturanpassung der Wirtschaft und für die Sanierung des Staatshaushaltes
in der DDR zu nutzen.“

Der in der Öffentlichkeit weithin unbeachtet gebliebene Passus ist der weitaus
wichtigste des ganzen Vertrages – viel wichtiger noch als selbst der viel dis-
kutierte Umtauschkurs: Artikel 26, Abs. 4 legt fest, wer die Kosten der Einheit
trägt.

Die Bundesbürger können erleichtert aufatmen. Höhere Zinsen, Steuern und
Inflationsraten sind nun nicht mehr zu befürchten. Die DDR bezahlt die Verei-
nigung mit der Bundesrepublik Deutschland weitgehend (selbst), wenn nicht
völlig aus der eigenen Tasche.

Und weiter heißt es, ich wollte es eigentlich jetzt nicht zitieren, aber auf Grund
Ihrer Bemerkung würde ich das als Diskussionsbeitrag hier noch hinzufügen: „
Der Wert des volkseigenen Vermögens, also vor allem der Betriebe des Lan-
des, wird auf 500 Milliarden DM geschätzt. Mindestens noch einmal soviel
sollen die zu den Betrieben gehörigen Grundstücke wert sein.

Dieses Riesen-Vermögen, das sich natürlich nicht von heute auf morgen reali-
sieren läßt, muß die DDR nun in die Finanzierung der Deutschen Einheit ein-
bringen.

Obwohl es theoretisch dem Volk gehört und pro Kopf rund 60.000 DM aus-
macht, soll das Vermögen nicht verteilt, sondern vornehmlich an Investoren
aus der Bundesrepublik verkauft werden“.

Meine Damen und Herren, aus heutiger Sicht erübrigt sich jeder Kommentar.
Hier wird unabhängig von der Richtigkeit der Baronschen Hypothese, die eine
breite Diskussion widerspiegelt, das Versagen in der Vermögensbildungspoli-
tik deutlich, denn die Vermögensbildungspolitik muß mitgedacht werden,
wenn es um die Transformation von einer Plan- in eine Marktwirtschaft geht.

Betrachten wir z. B. die Vermögensverteilung in Baden-Württemberg, die in
vielen Generationen entstanden ist und wodurch breitgefächerte unternehmeri-
sche Initiativen in der Bevölkerung möglich sind, diese Voraussetzungen wa-
ren in der damaligen DDR nicht gegeben.

Insofern hat die Eigentumspolitik die Startpositionen für die Menschen in Ost-
deutschland nicht erleichtert. Das heißt aber nicht, daß dadurch die Grundzüge
des Einigungsprozesses gefährdet gewesen wären.

Weitere Themen, ich will jetzt ein bißchen kürzen, die frühzeitig diskutiert
wurden, sind die Altschulden und die Arbeitslosigkeit. Zum Schluß bleibt nur
noch die Frage: Gab es reale Alternativen?

Die realen Bedürfnisse der Ostdeutschen zu Weihnachten 1989 lassen sich
m.E. – wenn auch etwas lax – in drei oder vier Wünschen zusammenfassen:

211
Wirtschaft – Sozialpolitik – Gesellschaft
  1. Einmal in die Alpen oder nach Mallorca,
  2. statt Trabi und Wartburg einen guterhaltenen Opel oder VW fahren,
  3. einen CD-Player und Videorecorder sein eigen nennen und
  4. eine gefegte Fabrik, bunte Reklame in den Straßen und gestrichene Häuser.

Dies waren die wichtigsten materiellen Träume der DDR-Bürger 1989 zu
Weihnachten.

Das Pöhl-Modell wollte auf eine Währungsunion 1:1 verzichten, die ja einer
Aufwertung der Ostmark auf 440 % bedeutete. Die diskutierte Alternative war
eine konvertible DDR-Mark mit einer allmählichen Kursangleichung, so hätte
der Binnenmarkt und ein Großteil der Wirtschaft weiter existieren können.

Mit einem Startumtausch hätten die vier Wünsche vielleicht erfüllt werden
können. Und die Anhebung des Lebensstandards wäre danach durch eine all-
mähliche Währungsangleichung vollzogen worden.

Ich kann nicht beurteilen, ob es wirklich eine reale Alternative gegeben hat.
Ich bin mir soweit sicher, daß für einige Fragen, wie Eigentum, Altschulden,
aber auch den Verwaltungsaufbau andere Lösungen bestanden haben, die zu
einer schnelleren selbsttragenden Entwicklung beigetragen hätten.

Ich bin mir in einem jedoch ziemlich sicher: Was wir an Wandel in Ost-
deutschland erlebt haben und erleben, ist wie ein kleiner Laborversuch zu dem,
was uns angesichts der Globalisierungserfordernisse weltweit an Transforma-
tion in Ost und West, Nord und Süd noch bevorsteht. Auch hier werden wieder
die gleichen Fragen gestellt: nach Eigentumsrechten, Schulden, Innovationen,
Regionalisierungen der Wertschöpfung und Solidarität.

Auch hier besteht die Gefahr, daß viele Menschen noch stärker in eine
„Schattengesellschaft“ abgedrängt werden, wenn entsprechende Antworten
ausbleiben. Dies gebe ich zu bedenken, wenn die heutige Anhörung zukunfts-
weisend sein soll. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Gesprächsleiter Abg. Prof. Dr. Rainer Ortleb (F.D.P.): Ich danke Ihnen.
Herr Dr. Buck bitte.

Dr. Hannsjörg F. Buck: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, ich
kehre als letzter Referent dieser Runde zu dem von Frau Dr. Cornelsen einge-
leiteten Thema zurück und zwar zur Wahrnehmung der DDR-Wirtschaft in der
westdeutschen DDR-Wirtschaftsforschung. Doch zunächst möchte ich eine
Bemerkungen zu meiner bisherigen beruflichen Tätigkeit und meinem wissen-
schaftlichen Werdegang machen.

Ich bin 1978 in das Gesamtdeutsche Institut als wissenschaftlicher Referent
eingetreten und habe 1982 die Leitung des in der Abt. 2 befindlichen Referates
für Wirtschaft, Sozialwesen, Finanzen und Umwelt übernommen. In den 70er
Jahren habe ich Forschungsaufträge der Deutschen Forschungsgemeinschaft