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Wahlperiode 13, Band III/1, Seiten 320 und 321
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Protokoll der 29. Sitzung

dort teilweise Listen aushingen. Die haben auch in einem beschränkten Maße
Arbeitskräfte vermittelt.

Gesprächsleiter Abg. Reinhold Hiller (Lübeck) (SPD): Herzlichen Dank.
Professor Vollmer bitte.

Prof. Dr. Uwe Vollmer: Vielleicht noch einen Satz zu Herrn Spiller. Ich sehe
das auch so, und das knüpft auch an das an, was ich eben gesagt habe, daß So-
zialpolitik an den Träger des Faktors Arbeit, der menschlichen Arbeit, ge-
knüpft war. Das war die Zielsetzung der DDR-Sozialpolitik.

Gesprächsleiter Abg. Reinhold Hiller (Lübeck) (SPD): Herzlichen Dank
auch für die Disziplin, sich um kurzen Antworten zu bemühen. Ich möchte
mich bei den Herren auf dem Podium bedanken für die Bereitschaft, heute er-
schienen zu sein und mit uns zu diskutieren, und wünsche Ihnen allen eine
schöne Mittagspause.

In dem Restaurant besteht die Möglichkeit zum Mittagessen.

Vorsitzender Siegfried Vergin: Ich möchte noch darauf hinweisen, daß ich
die Absicht habe, um 12.45 Uhr tatsächlich zu eröffnen. Ich sage das deswe-
gen, weil das schöne Wetter wahrscheinlich den einen oder anderen zu einem
Spaziergang motiviert. Ich bitte Sie, pünktlich zu sein.

[Mittagspause]

Vorsitzender Siegfried Vergin: Meine Damen und Herren, wir fahren in der
Sitzung der Enquete-Kommission fort. Ich freue mich, daß ich heute für die
Kommission Herrn Dr. Hans Geisler, Sächsischer Staatsminister für Soziales,
Gesundheit und Familie begrüßen kann. Herr Minister, Sie sind nicht nur zu
einem Grußwort zu uns gekommen, wie das in den meisten Fällen üblich ist,
wofür wir natürlich auch dankbar sind. Sie haben sich dazu bereit erklärt,
heute einen Sachvortrag zu dem Thema „Die Umgestaltung der Arbeits- und
Sozialordnung und deren Wirkungen in den neuen Bundesländern“ zu halten.
Das freut uns natürlich besonders. Wir sind sehr gespannt darauf, weil Sie auf-
grund Ihrer Biographie wissen, wovon Sie reden.

Die Diskussion wird nachher unser Kollege Abg. Werner Kuhn moderieren.
Ich darf Sie jetzt bitten, zunächst Ihren Vortrag zu halten.

Sächsischer Staatsminister für Soziales, Gesundheit und Familie, Dr.
Hans Geisler, MdL: Meine Damen, meine Herren, das Thema ist genannt.
Nachdem Sie bereits auf meine Biographie zu sprechen kamen, möchte ich
noch einiges dazu ergänzen. Ich wurde 1940 fünfundzwanzig Kilometer öst-
lich von Görlitz geboren und bin ungefähr fünfundzwanzig Kilometer westlich
von Görlitz aufgewachsen und zur Oberschule gegangen. 1958 bestand ich
mein Abitur, begann danach eine Färberlehre, und 1960 begann ich mit dem
Chemiestudium in Dresden, das ich 1965 zum Abschluß brachte. Dann ging
ich nach Meinsberg, einem kleinen Ort bei Waldheim, wo Professor Schwabe,
der damalige Direktor der TU Dresden, noch ein privates Institut hatte, war

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Wirtschaft – Sozialpolitik – Gesellschaft

dort wissenschaftlicher Mitarbeiter und habe 1970 promoviert. Ab 1969 war
ich 7 Jahre lang in Leipzig in der sportärztlichen Hauptberatungsstelle tätig,
also im Leistungssport der DDR, und ab 1976 bis Mai 1990 war ich Laborlei-
ter im Diakonissenkrankenhaus in Dresden. Im Herbst 1989 kam ich dann über
den Demokratischen Aufbruch in die Volkskammer. In der de Maizière-Re-
gierung wurde ich Parlamentarischer Staatssekretär für Familie und Frauen bei
der Frau Ministerin Schmidt und wurde dann ab November 1990 in Sachsen
Sozial-, Gesundheits- und Familienminister.

Das mir gestellte Thema spannt einen weiten Bogen. Jedem von uns ist leben-
dig bewußt, wo der eigentliche Ausgangspunkt zur Umgestaltung Ostdeutsch-
lands liegt. Unvergeßlich ist der Herbst 1989 mit seinen Montagsdemonstra-
tionen, die getragen waren von dem Drang nach Reformen – der Freiheit und
Selbstbestimmung, ja auch nach Umgestaltung der politischen, wirtschaftli-
chen und gesellschaftlichen Strukturen in dem erstarrten SED-Staat. Dabei ist
uns bewußt, ohne die wirtschaftliche Schwäche, den wirtschaftlichen Bankrott,
wären die Machthaber nicht so friedlich abgetreten.

Der Ruf „Wir sind ein Volk“ war schon das Ergebnis einer ersten Etappen-
strecke. Er signalisierte bereits damals überdeutlich die Hoffnungen und Er-
wartungen, die unendlich viele ostdeutsche Menschen in Richtung West-
deutschland hegten.

Zwar wurde die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der alten Bundesrepu-
blik keineswegs von jedermann als uneingeschränkt beispielgebend angesehen,
aber insgesamt anerkannten die allermeisten, welche Chancen und Möglich-
keiten sich einer Gesellschaft eröffnen, die – wie die Bundesrepublik und die
anderen westlichen Demokratien – auf den Prinzipien Freiheit, Solidarität und
Rechtsstaatlichkeit begründet ist.

Darüber hinaus gab es aber auch sehr viele Mitbürgerinnen und Mitbürger in
Ostdeutschland, die weit überzogene und damit unrealistisch hohe Erwartun-
gen an die alte Bundesrepublik stellten. Viele hatten einfach verdrängt, daß
jahrzehntelange harte Aufbauarbeit die Bundesrepublik wirtschaftlich zu dem
gemacht hatte, was da existierte.

Die Bundesrepublik war zu keiner Zeit das Schlaraffenland, in der alle Wün-
sche erfüllbar sind. Zwar mögen manche Politikeräußerungen aus der damali-
gen Zeit mit dazu beigetragen haben, daß die Aufbauarbeit in Ostdeutschland
schnell und ohne größere Probleme vorankommen würde und daß notwendige
Umbrüche leichter bewältigt werden könnten. Aber wir müssen auch ehrli-
cherweise sagen: Niemand von uns „Machtlosen“ hatte damals wirklich ge-
wußt, wie sehr die ostdeutsche Wirtschaft und Infrastruktur am Boden lag und
was der Zusammenbruch des gesamten Osthandels in der Konsequenz bedeu-
ten würde. Herr Schürer hat dazu natürlich etwas anderes gesagt, aber ich habe
bewußt von uns „Machtlosen“ gesprochen. Für all diese Ereignisse gab es ja
bislang weltweit keine Vorbilder.