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Wahlperiode 12, Band I, Seiten 660 und 661
660
Enquete-Kommission

MfS. Lediglich in der Bezirksverwaltung Leipzig konnten die Spionageakten,
aus denen zweifelsfrei hervorgeht, daß der „Auslandsnachrichtendienst“ der
DDR auch in die Bekämpfung der inneren Opposition eingebunden war,
vor der Vernichtung bewahrt werden. Das Bürgerkomitee zur Auflösung
der Staatssicherheit, das über diesen Zusammenhang von den zuständigen
HV A-Offizieren offensichtlich gezielt desinformiert wurde – stimmte der
Vernichtung der HV A-Akten schließlich selbst zu [→ Expertise Chaker].

Der Zentrale Runde Tisch, der immer wieder im Zusammenhang mit dem
Thema Aktenvernichtung genannt wird, hat de facto keine Resolution ver-
abschiedet, die die Vernichtung von Akten – gleich welcher Provenienz –
rechtfertigen könnte. Ganz im Gegenteil bemühte er sich, die Vernichtung
von Akten und Unterlagen möglichst zu unterbinden. Um einem unbefugten
und unkontrollierbar schnellen Zugriff auf die MfS-Unterlagen zu verhindern,
stimmte er allerdings der Vernichtung magnetischer Datenträger des MfS
zu – eine Entscheidung, die sich im nachhinein als sehr nachteilig für die
Erschließung der Unterlagen erweist [→ Expertise Thaysen].

Aussagen darüber, wieviele Unterlagen der Staatssicherheit zur Zeit außer-
halb der zuständigen Behörde noch „vagabundieren“, lassen sich verbindlich
nicht treffen. Daß Unterlagen in nicht unbedeutendem Ausmaß von früheren
hauptamtlichen Mitarbeitern „privatisiert“ wurden und sich heute ohne Zweifel
zum Teil auch im Besitz anderer Privatpersonen befinden, geht jedoch aus
den immer wieder medienwirksam in Szene gesetzten „Enthüllungen“ über
angebliche oder tatsächliche Stasi-Mitarbeit hervor. Auch ist anzunehmen,
daß sich Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in Moskauer KGB-Archiven
befanden oder noch befinden. Inwiefern es sich hierbei um verbrachte Original-
dokumente oder um „Parallelüberlieferungen“ aus der früheren Kooperation
der Geheimdienste handelt, muß zur Zeit dahingestellt bleiben [→ Bericht
Marquardt III].

2.2.3. Unterlagen- und Aktenvernichtung in anderen zentralen staatlichen
Behörden

Zu Akten- und Unterlagenvernichtungen kam es nicht nur im Bereich
der SED und des Ministeriums für Staatssicherheit, sondern auch in den
Überlieferungen anderer staatlicher Behörden. Hier sind Erkenntnisse über die
genauen Vorgänge und das Ausmaß der Vernichtungen ebenfalls nur vorläufig
und punktuell vorhanden:

Das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes machte z. B. darauf aufmerk-
sam, daß im übernommenen Schriftgut des Ministeriums für Auswärtige
Angelegenheiten (MfAA) der DDR die Überlieferungen der

Abteilungen I (MfS im MfAA), die Bestände der Abteilung „Journalistische
Beziehungen“ sowie der größte Teil der Verschlußsachen und der zwischen

661
Bericht der Enquete-Kommission

November 1989 und Oktober 1990 noch in den DDR-Auslandsvertretungen
befindlichen Unterlagen fehlen. Die Nachweise über die Unterlagenvernich-
tungen sind auch hier nicht vollständig.

Nach Erkenntnissen des Bundesarchivs fehlen im übernommenen Schriftgut
des Ministeriums des Innern der DDR u. a. die Unterlagen der für MfS-
Kontakte zuständigen Abteilung I (K I) sowie die komplette Überlieferung
des sog. Ministerarchivs. Der Verbleib dieses vermutlich sehr bedeutsamen
Archivs, das neben dem Verwaltungsarchiv des Ministeriums existierte, zur
Aufbewahrung der Unterlagen der Minister sowie ihrer Büros diente und
höchstwahrscheinlich auch nach der friedlichen Revolution von 1989/90 noch
vorhanden war, ist bislang ungeklärt.

Ein weiterer Bereich, in dem es zu umfangreichen Akten- und Unterlagenver-
nichtungen kam, ist das Ministerium für Nationale Verteidigung (MfNV) der
DDR, dessen Schriftgut vom Bundesarchiv-Militärarchiv übernommen wurde.
Da die entsprechenden Vorgänge vom Bundesarchiv inzwischen vergleichs-
weise gut aufgehellt werden konnten, sollen sie hier ausführlicher dargestellt
werden.

Das früher offiziell für die Unterlagen zuständige Militärarchiv der DDR in
Potsdam wurde bereits im November 1988 – offensichtlich auf Betreiben der
NVA-Spitze und unter Protesten der Archivare – durch den Erlaß der sog.
Archivordnung 1988 von der archivalischen Bewertung und Verzeichnung des
zu übernehmenden Schriftgutes völlig entbunden. Diese Aufgabe, die auch
die Entscheidung über die Kassation von Schriftgut einschloß, lag seit 1988
bei den einzelnen militärischen Verwaltungsarchiven selbst. Als es nach dem
Herbst 1989 in den Verwaltungsarchiven, die der „Verwaltung Militärwissen-
schaft“ im Ministerium für Nationale Verteidigung in Strausberg unterstanden,
zu zahlreichen autorisierten, aber auch unautorisierten Schriftgutkassationen
kam, bemühte sich das Militärarchiv in Potsdam – oft vergeblich – um
Abhilfe.

Ein Schwerpunkt der „autorisierten“ Akten- und Unterlagenvernichtung im
Bereich des früheren Verteidigungsministeriums der DDR lag auf dem hin-
terlassenen Schriftgut der Militärspionage. Am 16. März 1990, wenige Tage
vor den ersten demokratischen Volkskammerwahlen, hatte der letzte von der
SED gestellte Verteidigungsminister, Admiral Theodor Hoffmann, mit Befehl
1206/90 die „Einstellung der illegalen Arbeit der militärischen Aufklärung“
verfügt sowie die Vernichtung aller Unterlagen und personenbezogenen Akten
des „Militärischen Abschirmdienstes“ (MAD) der NVA bis zum 31. Juli 1990
angeordnet. Der Minister für Abrüstung und Verteidigung (MfAV) der DDR,
Rainer Eppelmann, der im April 1990 die Amtsnachfolge von Admiral Hoff-
mann antrat und in Archivangelegenheiten von der zuständigen „Verwaltung
Militärwissenschaft“ im MfAV offensichtlich wiederholt falsch informiert und
beraten wurde, unterschrieb am 15. August 1990 eine Vollmacht, auf grund