Fehler melden / Feedback
- wo die Aktenlage es erfordert, von Fall zu Fall geprüft werden, ob
auch für die Bestände westlicher Archive eine vorzeitige Aufhebung der
30-Jahre-Sperrfrist möglich ist. Schon jetzt droht sich eine bedenkliche
„Asymmetrie“ der Forschung zu verfestigen.
Sondervotum der Mitglieder der Fraktion der SPD, des Mitglieds der Gruppe
Bündnis 90/Die Grünen sowie der Sachverständigen Faulenbach, Gutzeit,
Mitter und Weber zu vorstehender Handlungsempfehlung:
„Im Interesse einer fundierten Aufarbeitung der SED-Diktatur sollte dort,
wo die Aktenlage es erfordert, geprüft werden, ob auch für die Bestände
westlicher Archive eine vorzeitige Aufhebung der 30-Jahre-Sperrfrist möglich
ist. Schon jetzt droht sich eine bedenkliche „Asymmetrie“ der Forschung zu
verfestigen.“
- Die zügige Erschließung der Archivalien muß durch die finanzielle und
personelle Absicherung der Archive gewährleistet werden. - Die Suche nach „vagabundierenden Akten“ sollte intensiv fortgesetzt
werden. - Die schriftlichen Überlieferungen von Betrieben und Kombinaten der
DDR sollten an die jeweils zuständigen öffentlichen Archive übergeben
werden. - Die gegenwärtigen, teils noch erheblichen räumlichen, finanziellen, per-
sonellen und technischen Probleme früherer DDR-Archive, vor allem auf
lokaler Ebene, müssen behoben werden. Hierzu zählen insbesondere auch
die aus der Bürgerbewegung hervorgegangenen und heute oftmals allein
vom ehrenamtlichen Engagement der Beteiligten getragenen Archive. - Die Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland mit der Russischen
Föderation und den anderen Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion
sowie insbesondere auch mit den ostmittel- und südosteuropäischen Staaten
bei der Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit sollte intensiv
gefördert werden. - Außer dem Verbleib sollte auch die Möglichkeit des Zugangs zu den Akten
internationaler Organisationen, in denen die DDR Mitglied war, speziell
des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe und des Warschauer Paktes,
sowie generell zu Akten, die die internationale Koordination der Politik
der kommunistischen Staaten und Parteien betreffen, geklärt werden.
D. | Sondervotum des Mitglieds Gruppe PDS/LL Abg. Dr. Dietmar Keller zu dem vorliegenden Bericht |
„Zum ersten Mal seit 1969, dem Jahr, als mit der „Kleinen Parlamentsreform“
die Enquete-Kommission in die Geschäftsordnung des Deutschen Bundes-
tages eingeführt wurde, beschäftigte sich eine solche mit einem politisch-
historischen und ideologiegeschichtlichen Thema. Ihre Konstituierung war de
facto ein Experiment. Auftrag der Enquete-Kommission war es, die „Ge-
schichte und die Folgen der SED-Diktatur in Deutschland politisch aufzu-
arbeiten“, „verletztem Rechtsempfinden durch Offenlegung des Unrechts und
Benennung von Verantwortlichkeiten Genüge zu tun“ und „einen Beitrag zur
Versöhnung in der Gesellschaft zu leisten“ (Deutscher Bundestag, Drucksache
12/2597). „Die Auswirkungen der SED-Diktatur sollten an zentralen Fakten
und Beispielen veranschaulicht werden“ (Beschluß der Enquete-Kommission
vom 30. Juni 1992). In das öffentliche Bewußtsein sollte gehoben werden,
wie „das totalitäre System der DDR, die zentral verwaltete Mangelwirtschaft,
zum Beispiel ebenso wie die weltanschauliche Erziehungsdiktatur, das Leben
eines jeden einzelnen prägte, seine Freiheit und Lebenschancen einengte“. Die
Arbeit der Enquete-Kommission sollte auch darauf gerichtet sein, „verborgene
interne Machtstrukturen und -stränge sowie die psychologischen Hintergründe
bei der massenhaften Pervertierung des Rechts aufzuspüren’.
Demgegenüber ging die PDS/Linke in ihrem abgelehnten Antrag zur Ein-
setzung einer Enquete-Kommission „Politische Aufarbeitung der DDRGe-
schichte“ (Deutscher Bundestag, Drucksache 12/2226) von der Notwendigkeit
aus, „einen Beitrag im Rahmen einer breit angelegten öffentlichen Erörterung
über Staat und Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Repzublik zu
leisten“. Die Enquete-Kommission sollte sich in ihrer Arbeit daher insbeson-
dere von folgenden Prinzipien leiten lassen:
- der „Notwendigkeit einer sachlichen und differenzierten Aufarbeitung der
DDR-Geschichte“ - einer „wissenschaftlichen Kritik“ der These vom „Unrechtsregime Deut-
sche Demokratische Republik“ und der Ergründung der „Ursachen des
Scheiterns des (Sozialismus)Versuches“ in der DDR. Gefordert wurde,
die „Aufarbeitung als ein gesamtdeutsches Unternehmen zu vollziehen“,
von den „Wechselbeziehungen der Nachkriegsgeschichte zwischen beiden
deutschen Staaten und deren Einbindung in internationale Kräftekonstella-
tionen und spezifische Bündnisse aus(zu)gehen“ und „die Aufarbeitung der
Geschichte dieses Jahrhunderts in ihrer Gesamtheit“ anzugehen.
Die Enquete-Kommission hat zweifelsohne eine umfangreiche Arbeit geleistet.
Anerkannt wird das Bemühen von einigen Mitgliedern der Kommission und
von Sachverständigen um eine differenzierte Auseinandersetzung und gegen
vereinfachende Schwarz-Weiß-Malerei.
Mit dem Sondervotum ist nicht beabsichtigt, der Beurteilung der Arbeit der
Kommission durch die Öffentlichkeit vorzugreifen. Der Votierende ist sich
auch des Für und Wider des eigenen Mitwirkens in der Kommission bewußt.
Er sieht in Teilen des Berichtes ernstzunehmende Diskussionsbeiträge und
Arbeitsergebnisse und möchte davon ausgehend Defizite benennen: