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1.3. „Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien“
Bereits im Januar 1944 hatte die Führung der KPD im Moskauer Exil
aus taktischen Erwägungen beschlossen, nach dem Krieg alle Parteien in
einem „nationalen Block der kämpferischen Demokratie“ zu vereinigen.39
Dabei war die KPD von Anfang an nicht gewillt, die anderen Parteien als
gleichberechtigte Konkurrenten um die Macht anzuerkennen. Die Blockpolitik
war „Camouflage“40. Sie diente allein der Beeinflussung des Parteiensystems
und der Durchsetzung kommunistischer Interessen.
Nach dem sowjetischen Einmarsch gingen die Initiativgruppen der KPD
mit sowjetischer Unterstützung an die Umsetzung ihres Konzeptes. Zunächst
wurden überall im Lande „Antifa-Blocks“, meist aus Kommunisten und
Sozialdemokraten, gebildet. Die SMAD und KPD-Führung sah in der Bildung
einer „Einheitsfront“ mit den Sozialdemokraten die Grundlage für eine
umfassendere Zusammenarbeit aller politischen Kräfte im Block als der
zentralen „Volksfrontorganisation“. Durch ihre enge Zusammenarbeit sollten
KPD und SPD ihre Dominanz im Block sichern und die SPD von einer
Hinwendung zu den bürgerlichen Kräften abgehalten werden.41
Auch die Praxis bei der Zulassung der Parteien durch die SMAD folgte im
wesentlichen den bündnispolitischen Erwägungen der Kommunisten.42 Nach-
dem Grotewohl die Bereitschaft zur Mitarbeit der SPD in der Einheitsfront
erklärt hatte, drängten SPD und KPD die bürgerlichen Parteien gemeinsam
zur Zusammenarbeit im Block. Das trug erheblich dazu bei, die Blockpolitik
gegenüber CDU und LDP durchzusetzen.43
Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Weimarer Republik waren die
Gründer von CDU und LDP bereit, sich dem von den Sowjets angeordneten
Block anzuschließen. Sie hofften auf diese Weise, der Bevorzugung der KPD
durch die Sowjets zu begegnen und Einfluß auf die Politik zu gewinnen.44
Dabei bedeutete ihre Entscheidung für die Blockpolitik keinen Verzicht auf
ein nach demokratischen Grundsätzen arbeitendes Parlament und eine daraus
gewählte deutsche Regierung. Sie sahen im Block eher eine Art nationaler
Notstandskoalition,45 die ihre Aufgaben nur vorübergehend, bis zur Bildung
- Vgl. FISCHER, Alexander: Sowjetische Deutschlandpolitik S. 86 u. S. 103–108.
- WILKE: Konzeptionen der KPD-Führung 1944/45 S. 254 f. Nach KRIPPENDORFF: Die Liberal- Demokratische Partei Deutschlands S. 83 darf der Zusammenschluß im Block 1945 nicht von vornherein als „kommunistisches Betrugsmanöver“ abgetan werden. Der Block bot demnach „für eine Übergangsperiode reale Möglichkeiten einer demokratischen Politik“. Auch KULBACH/ WEBER: Parteien im Blocksystem S. 15 meinen, daß die Blockpolitik zumindest im Ansatz für eine Übergangsperiode reale Möglichkeiten einer demokratischen Politik bot.
- Vgl. SUCKUT: Block-Ausschüsse S. 595.
- Vgl. STARITZ/SUCKUT S. 435.
- Vgl. SUCKUT: Block-Ausschüsse S. 595.
- So auch SUCKUT: Blockpolitik S. 21.
- 45 Vgl. WERNET-TIETZ: Bauernverband und Bauernpartei S. 39.
einer aus freien Wahlen hervorgegangenen deutschen Regierung zu erfüllen
hatte. Vor diesem Hintergrund entwickelten die führenden CDU-Politiker
ein eigenes Verständnis, wonach Blockpolitik eine auf Gleichberechtigung
und Toleranz gegründete Arbeits- und Ausgleichsgemeinschaft war, in der
keine Partei eine führende Rolle innehaben durfte. Blockpolitik war dem-
nach eine der möglichen Formen loyaler Zusammenarbeit von Parteien unter
außerordentlichen Umständen, durch die keine Partei ihre programmatische
Unabhängigkeit und Oppositionsmöglichkeit verlor.46 Ähnlich war die Sicht
in der LDP. Johannes Dieckmann erklärte, Blockpolitik bedeute die „Absage
an ein politisch-parlamentarisches System formalistisch-demokratischen Den-
kens, dessen Grundformeln die Begriffe Koalition und Opposition waren“.
Die Blockpolitik erlaube es keiner Partei, „die aufbauwilligen fortschrittlichen
Kräfte anderer Parteien aus der Mitverantwortung auszuschließen und eine
Alleinherrschaft auszuüben“. Sie gestatte es aber auch keiner Partei, sich aus
der Verantwortung herauszuhalten.47 In beiden bürgerlichen Parteien wurde
das Blocksystem damit im Sinne des klassischen politischen Konkordanzsy-
stems interpretiert, in dem nicht nach dem Mehrheitsprinzip, sondern nach dem
Prinzip des gütlichen Einvernehmens verfahren wird, um zu Entscheidungen
zu gelangen.
Die Einwilligung aller Parteigründer zur Mitarbeit im Block hing aber in
erster Linie damit zusammen, daß die Lizenzierung der Parteien von ihrer
Bereitschaft zur Mitarbeit abhing. Kurz nach Kriegsende gab es ohnehin kaum
Alternativen, als derartige Vorgaben der Besatzungsmacht vorbehaltlos zu
akzeptieren. Die Entscheidung fiel jedoch leicht, weil die geforderte Form der
Zusammenarbeit den ohnehin vorhandenen Überzeugungen entsprach, daß im
zerstörten Deutschland eine parteiübergreifende Kooperation notwendig sei.
Außerdem spielten Erfahrungen aus der Weimarer Republik eine Rolle, in der
die Zerrissenheit der Parteienlandschaft das Emporkommen der NS-Bewegung
gefördert hatte. Trotz des auch in den Westzonen vorhandenen Willens zur
Beseitigung der Folgen der NS-Diktatur fällt auf, daß hier keine Block-
Ausschüsse entstanden. Die Vorgaben der Besatzungsmächte wurden in allen
Zonen von den deutschen Akteuren akzeptiert. CDU und LDP hätten von
sich aus eine Block-Kooperation nicht vorgeschlagen. Die Parteien wurden,
da von ihrer Bereitschaft zur Mitarbeit ihre Lizenzierung abhing, praktisch
in den Block hineingegründet,48 der damit die „conditio sine qua non der
neuen Parteienbetätigung“ war.49 Schon im Mai und Juni 1945 übte die SMAD
massiven politischen Druck aus, um die sich bildenden Parteien CDU und LDP
auf eine Mitarbeit festzulegen.50 Dabei bot der „Antifaschismus“ als Grundlage
- Vgl. RICHTER: Die Ost-CDU S. 69–71.
- „Sächsisches Tageblatt“ vom 12. Juni 1947.
- Vgl. KRIPPENDORFF: Die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands S. 84.
- EBD. S. 22.
- Vgl. FISCHER, Alexander: Der Einfluß der SMAD S. 271.