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Wahlperiode 12, Band V/1, Seiten 136 und 137
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Protokoll der 47. Sitzung

für Sie gehabt? Hat es über die Niederlage hinaus vielleicht die Bedeutung
gehabt, daß mit dem Sieg der Militärs nicht eigentlich etwas anderes begonnen
hat, nämlich der Sieg dessen, was dort besiegt werden sollte? Breschnew
sprach davon. Die damalige CSSR, 1968, sie ist der Beginn einer bürgerlichen
Demokratie, einer bürgerlichen Gesellschaft. Das mußte zerstört werden.
Ist nicht mit dem Sieg der Militärs die Grundlage für den späten Sieg derer
gelegt worden, die versucht haben, sich gegen die damaligen Formen der
kommunistischen Nomenklatur aufzulehnen? Ich frage mich, Zdenek Mlynar:
Wie hat das jemand erlebt, der 1968 selbst eine führende Rolle in der KPC,
Mitglied des Präsidiums gespielt hat?

Vielleicht kann uns Zdenek Mlynar auch noch etwas Zusätzliches sagen. 1968
selbst ist ja vielleicht auch erst durch die bitteren Erfahrungen entstanden,
die in den 50er Jahren gemacht worden sind. 1956 – vielleicht kann er das
reflektieren. – Zdenek Mlynar, ich bitte Sie, das Wort zu nehmen.

Prof. Dr. Zdenek Mlynar: Wie ich persönlich das Jahr 1968 erlebt habe und
welche Konsequenzen ich damals daraus gezogen habe, habe ich auch schon
versucht, in einem Buch zu schildern, und zwar in dem Buch „Nachtfrost“.
Es wurde 1978 geschrieben und ist 1988 in zweiter Auflage in Deutschland
erschienen.

Am Anfang der Debatte möchte ich ein paar Bemerkungen dazu machen, wie
ich die Bedeutung des Prager Frühlings für die weitere Entwicklung – nicht nur
in der damaligen Tschechoslowakei, sondern auch in anderen Nachbarländern
und wahrscheinlich auch für die Ost-West-Beziehungen – sehe.

Die konkreten Dinge, die ich erlebt habe, als ich zum letzten Mal die lebenden
Fossilien, von Breschnew angefangen und mit Schiwkow endend, in Preßburg
und an anderen Orten traf, können wir in der Diskussion als ein belebendes
Moment nutzen.

In der Einleitung möchte ich drei Bemerkungen formulieren.

Erstens. Was war das Jahr 1968 in der Reihe der Versuche, das sowjetartige
System nach dem Tode Stalin zu ändern? Ich würde sagen, das Jahr
1968 war wahrscheinlich der letzte noch denkbare Versuch, für das System
bedeutende Reformen gleichzeitig von oben, also auf Grund einer Initiative der
herrschenden kommunistischen Partei, aber auch schon von unten mit einem
Druck der Gesellschaft durchzuführen. Es war aus unserer Sicht – damit meine
ich die damaligen Reformkommunisten oder sogar die damalige Führung der
Reformkommunisten – nicht, wie Herr Eppelmann gesagt hat, eine Utopie.
Sonst hätten wir damit nicht anfangen können.

Mir wird auch immer die Frage gestellt: Habt ihr denn nicht gewußt, daß die
Russen kommen müssen? Ja, das haben wir zum Teil schon gewußt. Aber man
kann nicht eine neue Politik machen und gleichzeitig davon überzeugt sein,
daß das nur schiefgehen kann, weil die Panzer kommen. Aus dieser Sicht war

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Internationale Rahmenbedingungen (CSSR 1968, Polen 1980/81)

es auch psychologisch nicht denkbar, das nur als eine Utopie zu verstehen.
Aber es war meiner Meinung nach gerade im Falle der Tschechoslowakei
damals nicht nur eine Utopie, sondern eine gewisse Möglichkeit, sicher eine
relative und begrenzte, aber immerhin eine der Tschechoslowakei eigene
Chance des praktischen Ausbaus von Sozialismus. Da es in Jugoslawien
gelungen ist, haben wir geglaubt und gesagt: Warum denn nicht auch bei uns?
Auch wir hatten dafür gewisse günstige Bedingungen. Das heutige Schicksal
von Jugoslawien ist kein Argument dagegen, daß das jugoslawische Modell
in den Jahren von 1955 bis 1965 in gewissem Sinne funktionierte und eine
gewisse Anziehungskraft hatte.

Was war bei uns die besondere Realität? Warum haben wir geglaubt, es gebe
innerhalb der KPC ein Reformpotential, das eine realpolitische Kraft sein
könnte? Im Unterschied nicht nur zu Deutschland, wo man die DDR immer
als Fortsetzung der Ostzone begriffen hatte, sondern auch im Unterschied zu
Polen und im Unterschied zu Ungarn war die Tschechoslowakei ein Land,
in dem nach dem Jahre 1945 das sowjetartige System doch mit gewisser
Unterstützung von einem großen Teil der Bevölkerung – ungefähr 30 % oder
mehr – getragen wurde. Bei den Wahlen 1946 wurde die kommunistische
Partei die stärkste Partei.

Ich kann persönlich sagen – ich habe das erst nachher mit den Gefühlen von
polnischen Kollegen, damals Genossen, vergleichen können –, daß ich nie
das Gefühl hatte, wenn hier Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit
und freie Wahlen sowie – nicht am Anfang – die Konkurrenz von mehreren
Parteien und die Arbeiterselbstverwaltung usw. kämen, ich an der Laterne
aufgehängt gehörte. Nein, das war bei uns nicht der Fall. Wir haben eine
gewisse, auch historisch begründete Unterstützung gefühlt.

Deshalb gab es diese trügerische Überzeugung, daß unsere Abhängigkeit
von Moskau eigentlich nicht so wahnsinnig groß gewesen sei. Wir dachten,
wir könnten uns das leisten. Der wichtigste Fehler der Reformkommunisten
damals in Prag bestand meiner Meinung nach darin, daß wir die Bedeutung
des Sturzes von Chruschtschow 1964 vollkommen falsch bewertet haben.
Wir haben geglaubt, das brächte eine Änderung, nicht aber eine Rückkehr
zu einem Neustalinismus und ein Ende der Reformen. In dieser Meinung –
heute kann ich das schon ganz offen sagen – hat mich auch einer meiner
Freunde und meiner Kommilitonen in Rußland bekräftigt, ein gewisser
Michail Sergejewitsch Gorbatschow, mit dem ich im Jahre 1967 in Stawropol
zusammenkam. Ich hatte ihm grundsätzlich schon erzählt, was wir im Sine
hatten.

Er sagte: „Weißt du, Breschnew ist eine reine Übergangsfigur. Da haben
sich alle geeinigt. Der schadet niemandem. Der läßt uns alles machen,
was wir da unten in den Provinzen machen wollen. Chruschtschow war
schon unerträglich. Der hat mir Vorschriften gemacht, ob und in welchem