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einem Gaststatus in die Parlamentarische Versammlung aufzunehmen, wenn
Oppositionsvertreter in solchen Delegationen vertreten wären, stieß das noch
auf große Skepsis. Zwei Jahre später war man froh, daß man den Gaststatus
hatte. Der erste prominente Redner aus diesem Lager war Gorbatschow im
Mai 1989.
Ich sage das deswegen, weil er wenige Tage später in China war und erlebte,
wie dort die Studenten den Platz des Himmlischen Friedens belagerten und
daß das Haus, in dem der Volkskongreß und die politische Leitung Chinas
tagten, belagert war. Gorbatschow hat gesehen, wie die chinesische Führung
dort operierte. Das hat sicherlich auch seine Haltung im Herbst 1989 mit
bestimmt. Dies gehört dazu. Es ist nicht so gewesen, daß dies alles die offizielle
Ebene nicht berührt hat.
Ich möchte auch noch abschließend ein Wort gerade zugunsten der deutschen
Diplomaten sagen. Die politische Leitung des Hauses hat sie nicht immer
groß gestützt; aber sie hat sie gewähren lassen. Sie waren wie die deutschen
Parlamentarier unter den am intensivsten Mitarbeitenden in den internationalen
Gremien, die sich für Menschenrechte gerade auch im östlichen Mitteleuropa
eingesetzt haben, auch wenn die Kontakte zu den Oppositionsgruppen nicht
unmittelbar bestanden. Aber es gab ein Stück mittelbare Information und
den Versuch, das umzusetzen. Das kann man nicht bestreiten. Ich habe es
an mehreren Beispielen erlebt.
Abg. Frau Wilms (CDU/CSU): Eine Ergänzung dazu, Herr Soell: Vielleicht
ist es ebenfalls historisch von Interesse, daß bei den Konferenzen der KSZE
zur Weiterentwicklung der Menschenrechte immer auch ein Beamter des
innerdeutschen Ministeriums zusätzlich zu den Beamten des Auswärtigen
Amtes mit dabei war. Ich glaube, daß das zur Abrundung des Bildes gehört.
Gesprächsleiter Prof. Gert Weisskirchen (SPD): Ich danke für die Teil-
nahme an der Diskussion. Besonders danke ich denjenigen aus der ehemaligen
CSSR, die hier gesprochen haben. Ich darf mit dem Titel eines Buches von Ján
Patocka – er ist eben schon genannt worden; er starb zwei Monate, nachdem
die Charta 77 gegründet wurde –, der zur damaligen Zeit eine bedeutende
Rolle gespielt hat, enden. Er hat ein Buch mit der Überschrift „Die Solidarität
der Unterdrückten“ – die Solidarität der Unterdrückten ist heute zur Sprache
gekommen – geschrieben. Wir sagen denen, die damals unterdrückt waren –
wie soll ich es sagen; unsere nachträgliche Solidarität können wir ihnen nicht
mehr geben. Ich bedauere, daß es in jener Zeit nicht immer genug Solidarität
gegenüber den Unterdrückten gegeben hat. Die Diskussion heute morgen mag
vielleicht ein wenig zur Linderung der entgangenen Solidarität beigetragen
haben.
Vorsitzender Rainer Eppelmann: Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Pause kann jetzt wirklich nur in einem
ganz kurzen Aufstehen und Wiederhinsetzen bestehen. Denn jeder, der auf
die Uhr sieht, stellt fest, daß die Mittagspause schon längst vorbei ist und
daß wir uns bereits eine halbe Stunde mit dem zweiten Thema beschäftigen
sollten. Wenn wir das zweite Thema genauso ernst nehmen wollen wie das
erste, müssen wir sofort weitermachen, weil Endzeiten entweder durch den
Kalender oder durch Abflugtermine gesetzt sind. Ich bitte also um Verständnis
dafür, daß wir sofort weitermachen.
Wir haben von der Methode her ähnliches für den Bereich Solidarnosc und
Polen vor, wie wir es bei den Themen 1968, Charta 77 und Tschechoslowakei
gemacht haben. Das bedeutet, es wird eine kurze Einführung des Gesprächslei-
ters geben – das wird in diesem Falle Markus Meckel sein – und dann ein Po-
diumsgespräch mit der Möglichkeit der Mitglieder der Enquete-Kommission,
in dieses Gespräch einzugreifen.
(Kurze Unterbrechung)
Gesprächsleiter Markus Meckel (SPD): Auch wenn wir jetzt noch wenige
hier im Saal sind, wollen wir beginnen. Wir können zwischen verschiedenen
Übeln wählen. Ich denke, wir sollten nicht das Übel wählen, diejenigen, die
nun hier vorne sitzen, so zu benachteiligen, daß sie kaum noch zu Wort
kommen können. Jeder, der jetzt nicht anwesend ist, kann es dann zumindest
im Protokoll lesen. Vielleicht gesellt sich während meiner Einführungsbemer-
kungen ja noch der eine oder andere in unsere Runde.
Es gibt verschiedene deutsch-polnische Nachkriegsgeschichten. Diese ver-
schiedenen Geschichten resultieren daraus, daß es zwei deutsche Staaten gab,
die zudem jeweils keine einheitliche Geschichte ihres Verhältnisses zu Polen
hatten. Das heißt, es gab hier nicht nur Veränderungen, sondern gleichzeitig
unterschiedliche Strömungen oder jeweils Vorläufer von Veränderungen.
Die DDR-Politik gegenüber Polen war durch die sofortige Anerkennung der
Oder-Neiße-Grenze im Jahre 1950 gekennzeichnet. Dies war wichtig, wenn
auch nicht so wichtig wie dann die Anerkennung Jahrzehnte später. Ansonsten
war die Beziehung der DDR-Regierung zu Polen, wie wir alle wissen, durch
„große Freundschaft“ gekennzeichnet. Sie beruhte auf der Ideologie, die
wiederum nicht Sache der jeweiligen Bevölkerung war, so daß sie auf sehr
wackeligen Füßen stand. Diese auf Ideologie beruhende Freundschaft war im
Hintergrund auch nicht immer so freundschaftlich, wie sie sich nach außen
hin darstellte.
Es gab in der DDR eine andere, kleine Geschichte des Verhältnisses zwischen
Polen und Deutschen, nämlich die der Kirchen und der Opposition, ebenfalls
jeweils in sich differenziert, die eine Verantwortung des deutschen Volkes
gegenüber Polen als Aufgabe verstanden und versuchten, dies dann in den
konkreten Kontakten umzusetzen.
Es gab natürlich – dies ist heute für uns ein besonderes Thema – die
Geschichte des Verhältnisses der Bundesrepublik Deutschland zu Polen, eine