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Wahlperiode 12, Band V/1, Seiten 218 und 219
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Protokoll der 47. Sitzung

der Mauer. Die tragische Ironie ist: Beide Seiten, die Ostpolitiker und
die Solidarnosc-Politiker, haben sich miteinander sehr schwergetan. Beide
haben große Schwierigkeiten gehabt, den Beitrag des anderen anzuerkennen,
vielleicht heute noch. Hoffen wir, daß die heutige Diskussion dazu ein bißchen
beitragen kann. (Beifall)

Gesprächsleiter Markus Meckel (SPD): Daß manche Wunden noch heilen
müssen und manche schon geheilt sind, das kann man an Gesprächen
ablesen, die zwischen führenden Vertretern der Ostpolitik und Vertretern von
Solidarnosc geführt worden sind, wo dergleichen sehr deutlich ausgesprochen
und dann aber wirklich zu Grabe getragen worden ist. Ich rede konkret von
Willy Brandt, Adam Michnik und Walesa.

Mir liegen nun eine ganze Reihe von Wortmeldungen vor. Die Zeit ist
wiederum sehr fortgeschritten. Wir sollten versuchen, bis 16.30 Uhr fertig
zu werden. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Dann schließe ich die Liste.
Zum Schluß erhalten die Mitglieder des Podiums Gelegenheit, auf die Fragen
und Bemerkungen einzugehen. Es ist deutlich geworden, daß ein spezifischer
Zeitabschnitt der Beginn von Solidarnosc und des Kriegsrechts war. Hier hat
es manche Turbulenzen und Defizite gegeben.

Sv. Prof. Dr. Manfred Wilke: Das Thema unserer Kommission ist die
SED-Diktatur, ihre Geschichte und ihre Folgen. Wir diskutieren heute über
die Tschechoslowakei und über Polen. Bevor ich zu dem komme, wofür ich
hier als erster das Wort bekommen habe, möchte ich anmerken, daß ich
mich als deutscher Patriot noch immer schäme und nicht vergessen habe,
wie die Tschechen und Polen, die Anfang der 80er Jahre von der deutschen
Einheit sprachen, in der alten Bundesrepublik verlacht worden sind. Ich
denke, daß diese Menschen, die damals unsere ureigenste nationale Forderung
nach Selbstbestimmung gestellt haben, im nachhinein unsere ausdrückliche
Anerkennung verdienen. Ich wünsche mir, daß der Deutsche Bundestag sie
irgendwann einmal in gebührender Form zum Ausdruck bringt.

Nun zum Thema. Der Forschungsverbund SED-Staat an der FU Berlin hat
im Januar 1993 im Zusammenhang mit meiner Arbeit für den „Untersu-
chungsausschuß 1/3“ des Landtags von Brandenburg über die Aktivitäten des
Konsistorialpräsidenten im Wartestand Manfred Stolpe eine Sammlung von
SED-Dokumenten vorgestellt, aus denen Mehlhorn schon vorgetragen hat.
Das zentralste und wichtigste Dokument war mit Sicherheit das Protokoll
des Treffens der Generalsekretäre in Moskau am 5. Dezember 1980. Auf
diesem Treffen nahm Breschnew – ich habe das gestern schon deutlich ge-
macht – ausdrücklich Bezug auf den gerade gewählten neuen amerikanischen
Präsidenten Reagan und die Drohung der USA: Falls Polen von außen ein
fremder Wille aufgezwungen wird, ist Schluß mit den Handelsbeziehungen.
Honecker drang mit seiner Forderung, daß die Arbeiter- und Bauern-Macht
mit Blutvergießen verteidigt werden muß, nicht durch. Vielmehr konnte Kania

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Internationale Rahmenbedingungen (CSSR 1968, Polen 1980/81)

seine Vorstellung unterbreiten, mit einer polnischen Lösung in Polen Ruhe und
Ordnung im Sinne der SED und der anderen kommunistischen Parteiführungen
wiederherzustellen.

Bei der Präsentation bin ich gefragt worden: Lieber Wilke, das ist alles
schön und gut; aber wo sind die Militärakten dazu? Sind das vielleicht nur
bedeutungslose Phrasen? Wir haben nicht aufgehört zu suchen und sind der
Frage nachgegangen – dabei hat mir mein Kollege Hans-Hermann Hertle
von der Freien Universität verdienstvollerweise sehr geholfen –: Wo sind die
Militärakten abgeblieben? Wir haben sie gefunden, und zwar im Ministerbüro
von Verteidigungsminister Heinz Hoffmann. Wir müssen feststellen, daß sich
Honecker als Generalsekretär die Militärpolitik vorbehalten hat. Die Berichte
von Hoffmann gingen direkt an Honecker. Das, war hier vorzulegen ist, wird,
so hoffe ich, das Bild vom „Friedensstaat“ Deutsche Demokratische Republik
und von der SED als Partei des Friedens endgültig als eine deutsche Legende
entlarven. Parallel zu dem Treffen der Generalsekretäre flog am 1. Dezember
1980 Generaloberst Stechbarth nach Moskau, um eine nicht geplante große
Übung mit dem sowjetischen Generalstab abzustimmen. Die Übung sah den
Einmarsch von 21 Divisionen des Warschauer Paktes unter Einbeziehung
der NVA in Polen vor. Welchen Charakter diese Übung haben sollte, läßt
sich vielleicht daran erkennen, daß die Militärlazarette in Alarmbereitschaft
versetzt wurden, daß in den Karteiblättern schon die Rubrik für Verluste
vorgesehen war, die die Kampfverbände gehabt hätten. Am 8. Dezember
meldete Hoffmann an Orgakow, daß die NVA-Verbände einsatzbereit sind.
Am 10. Dezember unterschrieb Honecker persönlich die Weisung, daß sich
die Truppen der NVA an dieser Übung beteiligen, vorausgesetzt das Signal
aus Moskau kommt. Es kam nicht. Aber die NVA hat sich 1981 weiterhin
„verdienstvoll“ betätigt. Ihr Militärattaché in Warschau und der Verbindungs-
general im Stab von Liegnitz haben sich daran beteiligt, in der polnischen
Armee „gesunde“ Kräfte zu finden, die den Militärputsch endlich auslösen. Ein
Dokument vom 7. April 1981, dem Gespräch zwischen Streletz und Keßler mit
Kulikow, dem Oberkommandierenden der Warschauer-Pakt-Staaten, bringt
Klarheit über die militärischen Zusammenhänge zwischen innerpolnischer
Konfliktlösung und eventuellem Einmarsch. Kulikow stellt gegenüber den
NVA-Generalen klar: Erstens. Es ist in Polen mit einem Bürgerkrieg zu
rechnen. Das ist eine Lageeinschätzung, auf die wir uns einrichten müssen.
Zweitens – hier wiederholt er das, was die Generalsekretäre in Moskau
beschlossen hatten –: Bevor nicht die polnischen Sicherheitskräfte zuschlagen,
können wir von außen nicht „helfen“. Erst wenn die Polen es nicht schaffen
und uns um Hilfe bitten, entsteht eine neue Situation. – Das war im April 1981.
In diesem Zusammenhang klären die NVA-Offiziere auch, ob – wieder ein-
mal – deutsche Truppen gefragt sind, wenn es darum geht, in Polen Ordnung
zu schaffen. Der Armeegeneral Hoffmann meldet als Verteidigungsminister