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Wahlperiode 12, Band VIII, Seiten 726 und 727
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Protokoll der 45. Sitzung

her, geschweige denn von der Schadensgröße, ein Vielfaches dessen, was
normalerweise anfällt. Indes können wir von den 200 Fällen der klassischen
Wirtschaftskriminalität kaum die Hälfte verfolgen – schon eine Einladung an
jemanden, Straftaten zu begehen. Es ist bedrückend, so etwas feststellen zu
müssen, insbesondere deshalb bedrückend, weil, und auch dahin geht eine
Frage, weil in der Tat etwas durch eine gezielte Tätigkeit verhindert werden
kann. Die Frage ging ja letztendlich dahin, wieviel Geld ist herauszuholen,
wieviel Geld ist wieder zu sichern. Es ist eine ganze Menge, und zwar sowohl
unmittelbar als auch mittelbar. Solange die Staatsanwaltschaft beim Landge-
richt personell in der Lage war, ein bißchen mit der Geschwindigkeit der
Entwicklung der Fälle Schritt halten zu können, das ging bis zur ersten Hälfte
1991, waren wir in der Lage, in den entsprechenden Ermittlungsverfahren
rd. 500 Mio. DM cash zu beschlagnahmen. Sie müssen wissen, daß man
nicht einfach Geld so beschlagnahmen kann, wenn es vorhanden ist, sondern
dazu bedarf es des Nachweises eines dringenden Tatverdachtes, das heißt
ein dringender Tatverdacht setzt eine bestimmte Ermittlungstiefe voraus. Die
können Sie nur leisten, wenn Sie entsprechend Leute wiederum haben, die so
weit vordringen können. Dann kommen Sie zum dringenden Tatverdacht, und
dann können Sie das Geld wegnehmen, beschlagnahmen und dem Berechtigten
wieder zuführen. Das ist der unmittelbare Erfolg – 500 Mio. Mark ist doch
auch etwas, zu Anfang jedenfalls. Man darf nicht die mittelbare Hilfe ver-
gessen, die durch entsprechende Ermittlungsverfahren möglich geworden ist,
nämlich in der zivilrechtlichen Durchsetzung der Ansprüche der Geschädigten
gegen die Täter, z. B. der Treuhandanstalt. Wenn man das mit einbezieht,
kommt zu den 500 Mio. eine Milliarde noch hinzu, so daß also allein die Arbeit
meiner Mitarbeiter von Oktober 1990 bis Mitte /Ende 1991 1,5 Milliarden
eingebracht hat. Es lohnt sich also, wenn man uns läßt. Dankeschön.

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Herzlichen Dank. Wir wollen Sie lassen,
wenn wir Ihnen dabei behilflich sein können, immer wieder.

– Pause

Vorsitzender Rainer Eppelmann: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
möchte Ihnen hier vorne vor allen Dingen ganz herzlich danken, daß Sie
unserer Einladung gefolgt sind, daß Sie Dinge, die belastend sind, die ärgerlich
sind, die manchmal noch mehr sind, daß Sie die heute hier öffentlich machen,
der Öffentlichkeit kundtun wollen. Die Spielregel ist: Die hier vorne sitzenden
Damen und Herren stellen das vor, was sie zu diesem Thema als Zeitzeugen
zu sagen haben, und die Mitglieder der Enquete-Kommission, das heißt die
Abgeordneten und die Professoren, sind diejenigen, die dann nachher reagieren
können. Es beginnt Herr Dietrich Pfeiffer aus Dresden.

Dietrich Pfeiffer: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren!
Ich möchte mich nochmals vorstellen, weil meine berufliche Entwicklung
doch in gewissem Sinne zum Thema gehört. Ich bin gelernter Bankkaufmann,

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Seilschaften in den neuen Bundesländern

Finanzökonom, und habe dann 24 Jahre in der halbstaatlichen Industrie
gearbeitet als Prokurist und Geschäftsführer. 1957 nach Abschluß meines
Fernstudiums wurde mir angetragen, in die SED einzutreten, dann könnte ich
bei der Bank eine Abteilungsleiterstelle bekommen. Das habe ich abgelehnt,
ich wollte eben meine Karriere nicht dem Parteiabzeichen verdanken und
ließ mich nicht erpressen. Das einmal nebenbei, weil heute gesagt wird, man
mußte ja in der SED sein. Man mußte gar nicht. Es waren 50 %, die ihre
Karriere eben beschleunigen wollten. Das mal zur Einleitung.

Nach dieser Zeit 1984 hatte ich dann weiteren Ärger durch die Ausreiseanträge
meiner Kinder und ging dann 7 Jahre als Hauptbuchhalter in einen größeren
Dresdener Betrieb, den damaligen VEB Mühlenbau, bis 1990. Und von 1991
bis 1993 – ich bin seit 1. August wohlverdienter Altersrentner –, bis August
1993 bin ich dann bei der Treuhandanstalt, Niederlassung Dresden, als Beteili-
gungsreferent gewesen, also eine auch von der anderen Seite sehr interessante
Tätigkeit, wenn auch nur im kleineren Maßstabe, in der Beteiligungsbear-
beitung, also der Finanzierung, Betreuung und Kreditierung der Firmen. Zu
diesen drei aufregenden Jahren folgendes. Die Ost-Ost-Seilschaften lernte ich
zuerst kennen. Als Hauptbuchhalter eines Maschinen- und Anlagenbetriebes
mit 1.400 Beschäftigten war ich ja für alles verantwortlich, was mit Geld
und Zahlen zusammenhing bis zur Kreditbeschaffung, bis zum Exportergebnis
und 1990 auch dann bis zur DM-Eröffnungsbilanz. Der Betriebsdirektor, ein
fachlich äußerst unfähiger Genosse, brauchte mich in zunehmendem Maße,
da er von kaufmännischen Dingen nicht die geringste Ahnung hatte, nur einer
von vielen. Ich war der einzige Nicht-Genosse im Kreise seiner 15 Direktoren.
Als im Juni 1990 dann bei der Treuhandanstalt in Berlin der VEB in eine
GmbH umgewandelt wurde, mußte ich den Betriebsdirektor, das heißt jetzt
Geschäftsführer, nach Berlin begleiten und ihn bei der Umwandlung unterstüt-
zen. Dabei versprach er mir die Stelle eines Prokuristen für die Zukunft, da
ich ja als einziger von diesen komplizierten neuen Sachen eine Ahnung hätte.
Es kam aber anders. Im Oktober 1990 wurde plötzlich ein neuer Stellenplan
vorgelegt, der die Leitung der GmbH auf sechs Direktoren reduzierte und
siehe da, alle sechs waren stramme Genossen. Meine Funktion bekam ein
Mitglied der ehemaligen SED-Parteileitung, der schon als Absatzleiter versagt
und von Bilanzen keinerlei Ahnung hatte. Im November 1990 wurde mir ein
Aufhebungsvertrag aus strukturellen und gesundheitlichen Gründen angeboten,
den ich auch unterschrieb. Ich wollte mit dieser Mafia nichts zu tun haben,
die ihre Anweisungen offenbar immer noch von untergetauchten zentralen
Parteileitungen bekam, denn dieser Schulterschluß der Genossen war typisch
für die ganze Zeit damals in der Industrie, das war keine einmalige Sache,
das muß eine Art konzertierter Aktion gewesen sein. Das haben Sie fast in
jedem Betrieb gefunden. Die Reduzierung der Leitung und die Reduzierung
des Betriebes ging immer zugunsten der Genossen und immer zu Lasten