Enquete-Kommission 1992–1994
Die Enquete-Mitglieder konkretisierten und strukturierten ihre Arbeit in sechs Themenfelder. Zur besseren Bewältigung des Arbeitspensums wurde zu jedem Themenfeld eine sogenannte Berichterstattergruppe (BEG) eingerichtet.
1. Machtstrukturen und Entscheidungsmechanismen im SED-Staat und die Frage der Verantwortung
Im Themenfeld 1 „Machtstrukturen und Entscheidungsmechanismen im SED-Staat und die Frage der Verantwortung“ behandelte die dafür zuständige Berichterstattergruppe 1 (BEG) eines der Hauptanliegen der Enquete-Kommission 1992–1994. Sie untersuchte die Machthierarchie der SED und ging der bedeutenden Frage nach der Verantwortlichkeit im SED-System nach. Ziel war es u. a. die internen Entscheidungsstrukturen im Parteiapparat der SED, die Rolle des Politbüros, das Verhältnis von Partei und Staat sowie Partei und Staatssicherheit auf den verschiedenen Ebenen aufzudecken. Die Enquete-Kommission wollte damit auch die verzerrte Rolle des Ministeriums für Staatssicherheit in der öffentlichen Wahrnehmung korrigieren.
Neben den Machtstrukturen der SED thematisierte die BEG 1 die Rolle und Funktion der Blockparteien und Massenorganisationen in der DDR. Zudem finden sich in diesem Themenkomplex auch einige Arbeiten zum Planwirtschaftssystem sowie zu den Medien als Herrschaftsinstrument der SED.
Insgesamt veranstaltete die BEG 1 elf öffentliche Anhörungen und vergab 32 Expertisen, zwei Forschungsaufträge und neun Berichte. Einberufer war der Sachverständige Prof. Hermann Weber.
Band II/1
Band II/2
Band II/3
Band II/4
„Brandenburg aktuell“ berichtet über die Anhörung „Die Machthierarchie der SED“, bei der am 26. Januar 1993 ehemalige Staatsfunktionäre wie Karl Schirdewan, Sekretär der Abteilung „Leitende Organe und Kader“, oder Günter Schabowski, Mitglied des Politbüros, sprechen. Quelle: rbb.
Markus Meckel berichtet bei „Brandenburg aktuell“ am 26. Januar 1993 über die öffentliche Anhörung „Die Machthierarchie der SED“. Quelle: rbb.
Enquete-Mitglieder und Zeitzeugen besuchen gemeinsam das ehemalige Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen im Rahmen der öffentlichen Anhörung „Die SED-Diktatur – politische, geistige und psychosoziale Unterdrückungsmechanismen/Erfahrungen im Alltag“, die am 30. November 1992 in Berlin stattfindet. Die „SpätAbendschau“ vom 30.11.92 berichtet darüber. Quelle: rbb.
Manfred Wilke erinnert sich, welche Themenbereiche in der Berichterstattergruppe 1 der Enquete-Kommission 1992-1994 behandelt wurden. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.
Die BEG 1 formulierte im Oktober 1992 einen Arbeitsplan für das Themenfeld „Machtstrukturen und Entscheidungsmechanismen im SED-Staat“. In diesem Arbeitsplan finden sich die Ziele und die Arbeitsweise der BEG 1 sowie eine thematische Gliederung mit ersten Vorschlägen für mögliche Expertisen und öffentliche Anhörungen.
2. Rolle und Bedeutung der Ideologie der DDR, integrativer Faktoren und disziplinierender Praktiken in Staat und Gesellschaft der DDR
Die BEG 2 arbeitete in ihrem Themenfeld die Funktion und Bedeutung der Ideologie des Marxismus-Leninismus in der kommunistischen Diktatur in der DDR auf. Dabei besprach sie auch die Rolle des Antifaschismus als ideologischem Integrationsfaktor für das SED-System. Es ging zudem um die Ursachen und Folgen der SED-Gesellschaftspolitik wie beispielsweise im Bereich der Frauen- und Familienpolitik.
Großen Raum nahmen in diesem Themenfeld die Jugendpolitik sowie das Bildungs-, Wissenschafts- und Erziehungssystem der DDR ein. Hier ging es vornehmlich darum, wie Ideologie als Disziplinierungsmittel eingesetzt wurde. Ein weiterer Schwerpunkt war die SED-Kulturpolitik, in der die Organisation, Auftragsvergabe und Ideologievermittlung des Kunst-, Literatur- und Kulturbetriebs behandelt wurde. Außerdem thematisierte die BEG 2 die Rolle und Funktion des Sports in der DDR.
Einberuferin der BEG 2 war die CDU-Abgeordnete Prof. Roswitha Wisniewski. Insgesamt organisierte diese BEG acht öffentliche Anhörungen und vergab 27 Expertisen und Berichte.
Band III/1
Band III/2
Band III/3
„Brandenburg aktuell“ berichtet über die öffentliche Anhörung „Kultur und Kunst in der DDR“ am 4. Mai 1993 in der Akademie der Künste in Berlin. Quelle: rbb.
Am 21. Juni 1993 findet die öffentliche Anhörung „Rolle des Sports in der DDR“ in Bonn statt, über die in der TV-Sendung „Einwurf“ berichtet wird. Quelle: rbb.
Für das Themenfeld 2 „Rolle und Bedeutung der Ideologie der DDR, integrativer Fraktoren und disziplinierender Praktiken in Staat und Gesellschaft der DDR“ skizzierte die BEG 2 im November 1992 einen Arbeitsplan, in dem sich eine erste Gliederung mit Vorschlägen für mögliche Expertisen und Berichte sowie öffentliche Anhörungen finden.
Verlaufsbericht des Themenfeld 2 vom September 1993. Quelle: PA-DBT 3416 EK 12/SED 25 (pdf).
Die Mitwirkenden der BEG 2 verfassten im September 1993 einen Verlaufsbericht. Es wird deutlich, welche Expertisen die BEG vergeben hatte, welche öffentliche Anhörungen stattfanden, und wer bei diesen Sitzungen angehört wurde.
3. Recht, Justiz und Polizei im SED-Staat
Im Themenfeld 3 wurde die Rolle von Recht, Gesetz und Justiz in SBZ und DDR behandelt. Der BEG 3 ging es darum aufzuklären, wie sich das Rechtssystem in der kommunistischen Diktatur der DDR entwickelt hatte, auf welchen Grundlagen es aufgebaut war, welchen Zielen es verpflichtet war, und wie es sich auf die Menschen in der DDR auswirkte. Es ging vor allem darum, das durch Recht und Justiz begangene Unrecht, insbesondere im Bereich des Strafrechts, aufzudecken. Themen waren in diesem Zusammenhang exemplarische Maßnahmen beim Aufbau des Repressionsapparates wie die sowjetischen Speziallager in der SBZ/DDR oder die Waldheimer Prozesse der Jahre 1950/52.
Insgesamt veranstaltete die BEG 3 vier öffentliche Anhörungen und vergab elf Expertisen sowie einen Bericht. Einberufer war der Sachverständige Prof. Friedrich-Christian Schroeder.
Themenfeld 3: Recht, Justiz und Polizei im SED-Staat
Band IV
Verlaufsbericht des Themenfeld 3 vom Oktober 1993. Quelle: PA-DBT 3416 EK 12/SED 35 (pdf).
Für das Themenfeld 3 „Recht, Justiz und Polizei im SED-Staat“ erarbeitete die BEG 3 im Oktober 1992 einen Verlaufsbericht. In diesem Bericht findet sich eine thematische Gliederung des Themenfelds, eine Beschreibung der durchgeführten Anhörungen sowie die Titel der in Auftrag gegebenen Expertisen.
4. Innerdeutsche Beziehungen und internationale Rahmenbedingungen
Kernaufgabe der BEG 4 war die relativ kontrovers diskutierte Deutschlandpolitik; im Zentrum standen die jeweiligen deutschlandpolitischen Konzeptionen der beiden deutschen Staaten und die innerdeutschen Beziehungen. In den von der BEG 4 organisierten öffentlichen Anhörungen befragte die Enquete-Kommission zahlreiche deutschlandpolitische Akteure der 1960er bis 1980er Jahre wie Egon Bahr (SPD) und Helmut Kohl (CDU) und die ehemaligen Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen Rainer Barzel (CDU) und Erich Mende (FDP).
Neben der deutschlandpolitischen Fragestellung behandelte die BEG auch die internationalen Rahmenbedingungen der deutschen Frage, ging unter anderem auf das Verhältnis der DDR zu Nachbarländern wie Polen ein und fragte nach dem Einfluss der sowjetischen Politik.
Insgesamt wurden in diesem Themenfeld zehn öffentliche Anhörungen organisiert und 22 Expertisen, zwei Berichte und zwei Forschungsaufträge in Auftrag gegeben. Einberufer war der SPD-Abgeordnete Prof. Gert Weisskirchen.
Band V/1
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Band V/3
Im Rahmen der öffentlichen Anhörung „Phasen der Deutschlandpolitik“, die vom 2.- 4. November 1993 in Berlin stattfindet, wird u. a. Bundeskanzler Helmut Kohl angehört. „Die Woche“ berichtet darüber am 5.11.1993. Quelle: rbb.
„Brandenburg aktuell“ berichtet über die öffentliche Anhörung „Die Deutschlandpolitik und ihre Rahmenbedingungen in den siebziger Jahren“, die am 8. Dezember 1993 in Bonn stattfindet. Bei der Anhörung spricht u. a. der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt. Quelle: rbb.
Protokoll der Sitzung der Berichterstattergruppe 4 vom 1. Juli 1993. Quelle: PA-DBT 3416 EK 12/SED 46 (pdf).
In der Sitzung vom 1. Juli 1993 verabschiedete die BEG 4 die Interessensschwerpunkte zum zentralen Themengebiet „Deutschlandpolitik und internationale Rahmenbedingungen in den verschiedenen Phasen 1945-1989“ sowie einen von der BEG zu diesem Thema erarbeiteten Fragenkatalog für die öffentlichen Anhörungen am 12./13. Oktober 1993 in Berlin. Zudem finden sich in diesem Protokoll inhaltliche Diskussionen um die Ausgestaltung weiterer öffentlicher Anhörungen dieses Themenfelds.
5. Rolle und Selbstverständnis der Kirchen in den verschiedenen Phasen der SED-Diktatur
Die BEG 5 behandelte in ihrem Themenfeld hauptsächlich die Rolle und das Selbstverständnis der Kirchen in der DDR sowie die Ziele und Instrumente der SED-Kirchenpolitik. Drei Leitfragen standen bei der Bearbeitung dieses Themenschwerpunkts für die Mitglieder der BEG im Vordergrund:
-Wie verhielt sich die SED-Diktatur zu den Kirchen?
-Wie verhielten sich die Kirchen gegenüber den Zwangsmaßnahmen und Beeinflussungsversuchen der SED-Diktatur?
-Welche politischen Auswirkungen hatte die Existenz unabhängiger Kirchen auf die SED-Diktatur?
Es ging der BEG darum, das Verhältnis von Kirche und SED-Machthabern in den verschiedenen Phasen der DDR-Kirchengeschichte herauszuarbeiten und nach der Bedeutung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) für die Durchsetzung der SED-Kirchenpolitik zu fragen. Die Enquete-Kommission versuchte dabei, auf die damals öffentlich geführte Debatte um die Verstrickungen zahlreicher Geistlicher und Kirchenjuristen mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) einzugehen. Diese Debatte blieb auch in der Kommission nicht frei von Konflikten. Die BEG untersuchte zudem die innerkirchliche Konzeption „Kirche im Sozialismus“.
Insgesamt wurden in diesem Themenfeld fünf öffentliche Anhörungen veranstaltet und 12 Expertisen vergeben. Einberufer war der Sachverständige Martin-Michael Passauer.
Der damalige Sachverständige Martin Michael Passauer erinnert sich an die Themenfelder und Kontroversen, die in der Berichterstattergruppe zu den Kirchen in der DDR debattiert wurden. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.
Manfred Wilke beschreibt, wie das Thema Kirche in der Enquete-Kommission 1992-1994 verhandelt wurde. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.
Band VI/1
Band VI/2
Bemerkungen zu Themenfeld 5 von Einberufer Hr. Passauer und Pläne für Anhörungen der BEG 5. Quelle: PA-DBT 3416 EK 12/SED 65 (pdf).
Einberufer und sachverständiges Mitglied Martin-Michael Passauer verfasste einige grundlegende Bemerkungen zur Bearbeitung des Themenfeldes 5. Angehängt ist zudem ein ausformuliertes Programm für die Anhörung am 14. Dezember 1993 in Erfurt „Die Haltung der evangelischen Kirchen zum SED-Staat im geteilten Deutschland“ sowie Vorschläge für weitere Anhörungen dieser BEG.
6. Möglichkeiten und Formen abweichenden und widerständigen Verhaltens und oppositionellen Handelns, die friedliche Revolution im Herbst 1989, die Wiedervereinigung Deutschlands und Fortwirken von Strukturen und Mechanismen der Diktatur
Im Themenfeld 6 ging es zum einen darum, die Vielfalt des oppositionellen und widerständigen Verhaltens in SBZ/DDR aufzuzeigen. Ziel war es zum anderen, einen Überblick über die verschiedenen Phasen von Opposition und Widerstand im jeweiligen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Kontext in der SBZ/DDR zu geben. Die BEG thematisierte daher die Anfänge von Opposition und Widerstand in den 1940er und 1950er Jahren, die auf Reformen zielende Opposition in den 1960er und 1970er Jahren, und die Opposition in den 1980er Jahren unter dem Dach der Kirche. Letztendlich ging es der Enquete-Kommission auch darum, die Bedeutung von Opposition und Widerstand angemessen zu würdigen.
Einberufer war der frühere Bürgerrechtler und Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen Gerd Poppe. Die BEG 6 organisierte insgesamt drei öffentliche Anhörungen, eine nicht-öffentliche Anhörungssitzung und vergab 22 Expertisen.
Band VII/1
Band VII/2
Stephan Hilsberg erinnnert sich u.a. an die öffentliche Anhörung in Jena zum Thema Opposition und Widerstand. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.
Jürgen Schmieder erinnert sich an die Arbeit in der Berichterstattergruppe 6 zum Thema „Opposition und Widerstand“. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2019.
Die öffentliche Anhörung „Die Flucht- und Ausreisebewegung in verschiedenen Phasen der DDR-Geschichte“, die am 11. April 1994 in Berlin stattfindet, wird von der BEG 6 organisiert. „Brandenburg aktuell“ berichtet darüber. Quelle. rbb.
Die BEG 6 formulierte im Oktober 1992 einen Arbeitsplan für das Themenfeld 6. In diesem Arbeitsplan findet sich eine ausführliche thematische Gliederung, die zeigt, zu welchen Themenbereichen Expertisen in Auftrag gegeben, und welche öffentliche Anhörungen durchgeführt werden sollen.
In der Sitzung vom 13. Januar 1994 diskutierte die BEG 6 über die inhaltliche Ausgestaltung und das Programm der öffentlichen Anhörungen „Motivationen, Möglichkeiten und Grenzen widerständigen und oppositionellen Verhaltens“ am 15./16. März 1994 in Jena.