Enquete-Kommission 1995–1998
Die Enquete-Mitglieder konkretisierten und strukturierten ihre Arbeit in neun Themenfelder. Zur besseren Bewältigung des Arbeitspensums wurde zu jedem Themenfeld eine sogenannte Berichterstattergruppe (BEG) mit jeweils sieben Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen eingerichtet.
1. Bildung, Wissenschaft, Kultur
Nachdem die Themenbereiche Bildung, Wissenschaft und Kultur bereits in der ersten Enquete-Kommission 1992-1994 anhand ausgewählter Problembereiche skizziert worden waren, vertiefte die BEG 1 der Nachfolgekommission diese Themenfelder. Großen Raum nahm dabei die politische Instrumentalisierung der Schulen und Hochschulen, der Wissenschaft und der Medien in der DDR ein. Ein weiteres Thema war die Kaderpolitik in der DDR, die sich beispielsweise im Bildungswesen oder in der Militarisierung von Erziehung und Gesellschaft zeigte. Des Weiteren ging es in dieser Arbeitsgruppe um den Stand der Forschung in den verschiedenen Wissenschaftsbereichen in der DDR, die Entwicklung der Öffentlichkeit, der öffentlichen Meinung sowie der Gegenöffentlichkeit in der DDR-Gesellschaft. Weitere Themenfelder waren die Geschichte der Medien, der Unterhaltungsmusik und der Bildenden Kunst. Schließlich ging es auch um die Entwicklung des Bildungssystems, der Medien und der Wissenschaft im Transformationsprozess seit 1990.
Einberufer des Themenfelds 1 war der Sachverständige Prof. Peter Maser. Insgesamt organisierte diese BEG fünf öffentliche Anhörungen und vergab 26 Expertisen bzw. Gutachten.
Die BEG 1 formulierte im Januar 1996 einen Arbeitsplan für das Themenfeld „Bildung, Wissenschaft, Kultur“. Hierin findet sich eine thematische Gliederung mit ersten Vorschlägen für mögliche Expertisen und öffentlichen Anhörungen.
2. Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik
Die BEG 2 beschäftigte sich hauptsächlich mit drei Themenschwerpunkten. Im ersten Themenkomplex untersuchte sie die Strukturen der sozialistischen Planwirtschaft und ging der Frage nach, wie sich der Prozess der Transformation von einer sozialistischen Planwirtschaft hin zu einer Marktwirtschaft vollzogen hatte. Im zweiten Themenschwerpunkt ging es der Arbeitsgruppe darum, den Anspruch der SED-Machthaber in der Sozialpolitik sowie die Wirklichkeit der sozialen Situation der Menschen in der DDR und die Gründe für das Scheitern der Sozialpolitik der DDR herauszuarbeiten. Im dritten Themenbereich war es das Ziel, die von den SED-Machthabern verursachten Umweltprobleme, die größtenteils durch die SED-Führung und das Ministerium für Staatssicherheit geheim gehalten wurden, aufzudecken sowie die Ursachen des Versagens der SED-Diktatur in der Umweltpolitik zu ergründen. Schließlich ging es auch um den Stand der ökologischen Sanierung in der Transformationsperiode seit 1990.
Einberufer dieses Themenfelds war der SPD-Abgeordnete Jörg-Otto Spiller. Insgesamt organisierte diese BEG drei öffentliche Anhörungen und vergab vier Berichte und 25 Expertisen bzw. Gutachten.
Protokoll der 1. Sitzung der Berichterstattergruppe 2 vom 28. September 1995. Quelle: PA-DBT 3420 EK 13/SED 13 (pdf).
In der ersten Sitzung vom 28. September 1995 diskutierten die Mitglieder der BEG 2 über die verschiedenen Themenbereiche, die in dieser Arbeitsgruppe erarbeitet werden sollten.
Entwurf des Arbeitsplans des Themenfelds 2 vom 17. Januar 1996. Quelle: PA-DBT 3420 EK 13/SED 14 (pdf).
Die Mitwirkenden der BEG 2 verfassten im Januar 1996 einen Arbeitsplan. In diesem findet sich zusammenfassend, welche Unterthemen die Arbeitsgruppe bearbeiten wollte.
3. Das geteilte Deutschland im geteilten Europa
Ziel der BEG 3 war es, die Einbindung der beiden deutschen Staaten in die beiden Blöcke während des Kalten Krieges herauszuarbeiten und die deutschen Diktaturerfahrungen in den europäischen und den internationalen Kontext zu setzen. Dabei wurde auch auf die Außenpolitik der DDR und der Bundesrepublik unter den Bedingungen des Ost-West Konfliktes eingegangen wie beispielsweise das Verhältnis der Bundesrepublik zu Polen oder die Politik der DDR gegenüber der Dritten Welt. Auch das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und der DDR war wie bereits in der Enquete-Kommission 1992-1994 wieder Thema. Hierbei interessierten insbesondere die Deutschlandpolitik im Zeichen der Entspannungspolitik sowie die Westarbeit der SED und des MfS. Zudem beschäftigte sich die BEG mit den internationalen Rahmenbedingungen des Vereinigungsprozesses. Es sollte deutlich werden, dass die Deutsche Einheit kein isolierter Prozess war. Dementsprechend richtete sich der Blick dieser Arbeitsgruppe auch auf die Bürgerrechtsbewegungen in Polen, in der Tschechoslowakei und in der Sowjetunion.
Insgesamt veranstaltete diese BEG drei öffentliche Anhörungen und vergab 19 Gutachten bzw. Expertisen und zehn Berichte zu diesem Themenfeld. Einberufer war der Sachverständige Prof. Dr. Bernd Faulenbach.
Manfred Wilke berichtet, welchen Stellenwert die internationale Einordnung der Teilungsgeschichte der beiden deutschen Staaten in der Enquete-Kommissionen eingenommen hat. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.
In der 1. Sitzung der BEG 3 berieten sich die Mitglieder über das zukünftige Arbeitsprogramm und kamen zum Schluss, dass insbesondere die Einbindung der beiden deutschen Staaten in die beiden Blöcke thematisiert werden müsse.
4. Rechtsstaatliche Aufarbeitung/Opfer der SED-Diktatur
Im Themenfeld 4 verhandelte die dazugehörige Arbeitsgruppe u. a. die Situation der Opfer der SED-Diktatur sowie ihrer Rehabilitierung. Die BEG 4 thematisierte dementsprechend auch die repressiven Strukturen in der SBZ/DDR sowie die gesundheitlichen und psychischen Folgeschäden für die Opfer politischer Verfolgung und entwarf Handlungsempfehlungen für den Gesetzgeber, um die Situation der Opfer zu verbessern. Ein weiterer Themenschwerpunkt war der Elitenwechsel im Prozess der deutschen Einheit und die dazugehörigen Probleme, die sich u. a. in der Übernahme von Personal im öffentlichen Dienst im Beitrittsgebiet während der Übergangsphase nach 1990 zeigten. Zudem nahm sich die BEG der justiziellen Aufarbeitung an und ging dabei u. a. auf verfassungsrechtliche Probleme strafrechtlicher Aufarbeitung der SED-Diktatur und ihrer Folgen ein.
Insgesamt wurden in diesem Themenfeld zwei öffentliche Anhörungen organisiert sowie 21 Expertisen und zehn Berichte in Auftrag gegeben. Einberufer war der CDU-Abgeordnete Hartmut Büttner.
In der ersten Sitzung diskutierten die Mitglieder der BEG 4 erstmals über die Ausgestaltung des Arbeitsplans. Sie formulierten zudem im Januar 1996 ein Arbeitsprogramm aus, in dem sich eine thematische Gliederung mit ersten Vorschlägen für mögliche Expertisen und öffentliche Anhörungen findet.
5. Archive
Nachdem sich in der Enquete-Kommission 1992-1994 die Arbeitsgruppe „Archive“, eine der vier kleineren Arbeitsgruppen der Vorgänger-Kommission, u. a. mit der Aktenüberlieferung sowie der Unterlagenvernichtung im Ministerium für Staatssicherheit beschäftigt hatte, setzte sich die BEG 5 der Enquete-Kommission 1995-1998 mit der Bedeutung der Akten aus der DDR für die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit und den sich dabei ergebenden Problemstellungen auseinander. Das vordergründige Ziel der Arbeitsgruppe war es, die Aktenüberlieferung aus der DDR anhand ausgewählter Beispiele zu präsentieren. Hierfür befasste sie sich mit dem Aktenverbleib im ehemaligen Zentralen Parteiarchiv (ZPA) der SED, den Überlieferungen der Betriebsarchive der DDR und den Akten der Treuhandanstalt sowie der Aktenüberlieferung in unabhängigen Archiven der Bürgerrechtsbewegungen sowie der katholischen und evangelischen Kirche.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Situation der Archive in anderen postkommunistischen Staaten wie Ungarn, Russland und Polen und die Lage der Aktenzugänglichkeit in diesen Ländern.
Einberufer war der Sachverständige Prof. Dr. Hans-Adolf Jacobsen. Die BEG 5 vergab insgesamt 12 Gutachten bzw. Expertisen und fünf Berichte.
Themenfeld 5: Archive
Band VI
Mitglieder der Enquete-Kommission formulierten einen Antrag auf Einsetzung einer Arbeitsgruppe „Archive“, in dem sie Probleme und Aufgaben in Bezug auf dieses Themenfeld nennt. In der konstituierenden Sitzung werden erste Vorschläge für die Strukturierung eines Arbeitsplanes der BEG diskutiert.
6. Gedenkstätten
Das vorrangige Ziel der BEG 6 war es, Vorschläge für eine tragfähige und umfassende Gedenkstättenkonzeption zu erarbeiten. Nachdem bereits die Enquete-Kommission 1992–1994 in ihrem Schlussbericht empfohlen hatte, Gedenkstätten von gesamtstaatlicher Bedeutung durch den Bund zu fördern, wurde die Nachfolgekommission vom Bundestag beauftragt, einen Vorschlag für eine Konzeption einzureichen. Durch das Gedenkstättenkonzept sollten gesamtdeutsche Formen der Erinnerung an die beiden deutschen Diktaturen und deren Opfer gefördert werden und Orte von nationaler Bedeutung festgelegt werden, die dauerhaft vom Bund finanziert werden sollten. Die BEG 6 beschäftigte sich daher mit der Geschichte der Gedenkstätten und deren grundsätzlichen Aufgaben in der demokratischen Erinnerungskultur.
Die schließlich 1999 erarbeitete Gedenkstättenkonzeption des Bundes knüpfte dann in großen Teilen an die Empfehlungen der Enquete-Kommission an. Die Kommission verhalf dadurch sowohl Gedenkstätten für die Opfer der NS-Diktatur als auch für die Opfer der kommunistischen Diktatur in der SBZ/ der DDR zur gesellschaftlichen Akzeptanz und einer dauerhaften institutionellen Förderung durch den Bund.
Insgesamt veranstaltete diese BEG vier öffentliche Anhörungen und vergab neun Gutachten bzw. Expertisen sowie drei Berichte. Einberufer war der stellvertretende Kommissionsvorsitzende und SPD-Abgeordnete Siegfried Vergin.
Manfred Wilke berichtet, wie die Enquete-Kommissionen die Aufarbeitung der NS- und SED-Diktatur vorangetrieben haben. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.
Die Mitglieder der BEG 6 verständigen sich in der 2. Sitzung auf verschiedene Vorgehensweisen, um das Themenfeld 6 zu erarbeiten. Neben historischem Hintergrundwissen erörtert die BEG 6 insbesondere Möglichkeiten zur Weiterentwicklung einer demokratischen Erinnerungskultur.
7. Internationale Zusammenarbeit
Die BEG 7 versuchte sich mit nicht-staatlichen und staatlichen Vertretern aus Mittel-, Ost- und Südosteuropas, über die Aufarbeitung der kommunistischen Diktaturen in Europa und die Perspektiven einer möglichen Zusammenarbeit auszutauschen. Es fanden daher zahlreiche Begegnungen verschiedener Kommissionsmitglieder mit ausländischen Institutionen statt, die sich mit der Aufarbeitung diktatorischer Vergangenheit beschäftigten. So traf beispielsweise eine Delegation der Untersuchungskommission des Abgeordnetenhauses der Tschechischen Republik zur Aufklärung von Unrechtsaktionen des kommunistischen Regimes mit Mitgliedern der Enquete-Kommission zusammen. Außerdem gab es weitere Besuche bei der „Truth and Reconciliation Commission“ der Republik Südafrika oder der russischen Initiative „Memorial“.
Einberufer des Themenfelds war der CDU-Abgeordnete Reinhard Frhr. von Schorlemer. Die BEG 7 organisierte eine öffentliche Anhörung und vergab insgesamt 12 Berichte. Außerdem beauftragte die Arbeitsgruppe das Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien (BIOst), den Stand, die Probleme und die Perspektiven der Vergangenheitsaufarbeitung in 14 Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas in Form von Länderberichten darzulegen, die alle in der Schriftenreihe BIOst veröffentlicht worden sind.
Themenfeld 7: Internationale Zusammenarbeit
Band VII
8. Weiterführung des Prozesses der Aufarbeitung
Der Schwerpunkt der BEG 8 lag auf der Erarbeitung eines Vorschlages zur Errichtung einer selbständigen Bundesstiftung des öffentlichen Rechts zur Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland. Diese Empfehlung, die in Form eines Zwischenberichts bereits im November 1997 dem Bundestag vorgelegt wurde, nahm dieser in einem fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurf auf und verabschiedete das Gesetz zur Errichtung der Stiftung im April 1998. Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hat den gesetzlichen Auftrag, die umfassende Aufarbeitung der Ursachen, Geschichte und Folgen der Diktatur in SBZ und DDR zu befördern, den Prozess der Deutschen Einheit zu begleiten und an der Aufarbeitung von Diktaturen im internationalen Maßstab mitzuwirken.
Neben der Empfehlung eine Bundesstiftung zu errichten, beschäftigte sich die BEG 8 mit den Herausforderungen des Aufarbeitungsprozesses und setzte sich mit der Situation der regionalen und lokalen Aufarbeitungsinitiativen und Opferverbänden auseinander, die meist von Vertretern der der Bürgerrechtsbewegung und von ehemaligen Oppositionsgruppen in der DDR initiiert worden waren. Zudem befasste sich die Arbeitsgruppe mit dem Stand der Forschung über die DDR-Geschichte in universitären und außeruniversitären Einrichtungen und erarbeitete verschiedene Handlungsempfehlungen, um sowohl die Aufarbeitungsinitiativen als auch die DDR-Forschung langfristig zu festigen und zu fördern.
Insgesamt veranstaltete die BEG 8 zwei öffentliche Anhörungen und vergab vier Gutachten bzw. Expertisen sowie einen Bericht. Einberufer war der Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen Gerald Häfner.
Themenfeld 8: Weiterführung des Prozesses der Aufarbeitung
Band VII
In der konstituierenden Sitzung diskutiert die BEG 8 über die Ziele und Inhalte der Arbeitsgruppe. Sie einigt sich zudem auf eine grobe thematische Gliederung und die als nächstes zu vollziehenden Arbeitsschritte.
Kurzprotokoll der 19. Sitzung vom 18. April 1997 sowie Eckpunktepapier zur Errichtung einer Stiftung vom 15. April 1997. Quelle: PA-DBT 3420 EK 13/SED 87 (pdf).
In der 19. Sitzung erörtert die BEG 8 ein Eckpunktepapier zur Errichtung einer Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Der Entwurf dieses Papiers diente als Vorbereitung für die Erstellung eines Zwischenberichts, der dem Bundestag vorgelegt werden sollte.
9. Leben in der DDR
Die BEG 9 beschäftigte sich mit dem Alltag in der DDR. Sie diskutierte u. a. Identitätsmuster und Wertvorstellungen in der DDR und in den neuen Ländern und ging dabei auch auf die mentalen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen ein. Die Arbeitsgruppe beschäftigte sich außerdem mit den Erfahrungen und den Bewältigungsstrategien der DDR-Bürgerinnen und -Bürger in der Mangelgesellschaft und ging der Frage nach, inwiefern sich das Konsumverhalten nach der Wiedervereinigung bei den Ostdeutschen geändert habe. Ein weiterer Untersuchungsgegenstand war das Freizeitverhalten der Menschen in der DDR und in den neuen Ländern.
Weitere Themen waren auch das Alltagsleben von Frauen und Jugendlichen in der DDR. Dabei ging es u. a. darum, wie Frauen Familie und Beruf vereinbarten. Es wurde zudem untersucht, warum eine Minderheit der ostdeutschen Jugendlichen im Transformationsprozess ihren Protest in extremistischen Positionen und teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen ausdrückte. Insgesamt bestand für die BEG die Schwierigkeit darin, das Alltagsleben in der DDR und in den neuen Bundesländern angemessen zu beschreiben und die individuellen Lebensläufe und -leistungen zu beurteilen.
Einberufer der BEG 9 war der Sachverständige Prof. Peter Maser. Insgesamt organisierte diese BEG vier öffentliche Anhörungen und vergab acht Gutachten bzw. Expertisen.
Ilko-Sascha Kowalczuk erinnert sich an die Arbeit und die Herausforderungen in der Berichterstattergruppe zum Thema „Alltag in der DDR“ in der zweiten Enquete-Kommission. Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, 2018.
Die BEG 9 diskutierte in der 4. Sitzung einen Entwurf des Arbeitsprogrammes, in dem es um die thematische Gliederung der Arbeitsgruppe geht. Zudem formulierte die BEG am 11. September 1996 einen Vermerk zum Arbeitsstand und Vorschläge für die mögliche Weiterarbeit.